Der Hexenschwur: Roman (German Edition)
zahlen. Als zusätzliche Buße wurde er dazu verdonnert, diesen Silberkelch zu stiften.« Grete schleuderte das Wäschestück gegen einen Findling, der aus dem Wasser ragte. Sie sah Tine an und deutete mit den Händen die Größe des Kelchs an. »Er ist nur so groß, aber ich finde ihn schön, denn außer dem Wappen derer von Westernhagen sind mehrere Namen und lateinische Worte eingraviert. Es wäre eine Schande gewesen, wenn der Landstreicher ihn gestohlen und verkauft hätte. Der Kelch macht unsere Kirche in Hundeshagen zu etwas Besonderem«, meinte Grete und wischte sich die nassen Hände an ihrer Schürze ab.
Karoline tat, als ob sie nichts hörte, und würdigte die Frauen keines Blicks. Angestrengt rieb sie einen Blutfleck aus Jodokus’ Wams, der von den geschlachteten Fischen stammte, als ein Schatten auf sie fiel. Im selben Augenblick hörte sie Josefine verhalten rufen:
»Komm her, Helene. Was willst du bei der Verfluchten?«
Karoline kam seufzend aus der Hocke hoch und stand der jungen Helene gegenüber, die sie nur flüchtig kannte. Sie waren sich im Spätsommer auf dem Feld begegnet, als die Ernte eingebracht wurde. Da sie wusste, dass Helene damals schwanger gewesen war, schaute sie ihr nun unbewusst auf den Bauch, der sich nicht mehr wölbte. Mit einer fahrigen Bewegung strich sich Karoline die Haarsträhne aus dem Gesicht und fragte bissig: »Was willst du? Hast du keine Angst vor mir?«
Helene schluckte und schüttelte dann den Kopf. »Nein, ich fürchte dich nicht. Warum solltest du mir Böses wollen? Ich war nie gemein zu dir.«
Karoline nickte, und ihre Miene entkrampfte sich. »Du hast dein Kind bekommen?«, fragte sie.
Helene strahlte, als sie antwortete: »Unser Sohn ist am Heiligen Tag geboren worden.«
»Ich erinnere mich, dass du bereits Zwillinge hast. Sie müssen kurz nach meinem Michael geboren sein, demzufolge sind sie jetzt sieben.«
»Fast«, lachte Helene, die sich langsam entspannte. »Sie kamen im Monat September zur Welt.«
»Mit drei Kindern hast du sicher alle Hände voll zu tun«, sagte Karoline.
Die Frau rollte leise lachend mit den Augen. »Ich möchte dir etwas erzählen, das wichtig für dich sein könnte«, flüsterte sie und sah die Bäuerin eindringlich an.
Karoline runzelte die Stirn und fragte argwöhnisch: »Was kann das sein?«
»Nicht hier, denn die anderen sollen davon nichts erfahren«, erklärte Helene.
Karoline schaute über die Schulter der jungen Frau zu den anderen Weibern, die sie neugierig anstarrten. »Wo und wann?«, fragte sie leise.
Helene überlegte. »Mein Mann ist sehr misstrauisch, sodass ich nicht lange wegbleiben kann. Ich werde ihm sagen, ich hätte ein Wäschestück am Bach vergessen. Wollen wir uns nach dem Abendgeläut hier am Waschplatz wiedertreffen?«
Karoline nickte, packte ihre Wäsche zusammen und ging grußlos nach Hause.
»Warum musstest du so lange mit ihr schwatzen?«, meckerte Josefine.
»Das geht dich nichts an«, erwiderte Helene ruhig.
»Natürlich geht mich das was an«, ereiferte sich das Weib. »Schließlich ist sie mit einem Hexenschwur belegt, der auch auf uns übergehen könnte.«
Helene, die sonst eher zurückhaltend war, blickte Josefine ungläubig an. »Du glaubst nicht selbst, was du gerade gesagt hast?«
»Wie meinst du das?«
»Ich war dabei, als die alte Hebamme den Hexenschwur ausgestoßen hat. Mit keinem Wort hat sie gesagt, dass der Schwur auch andere treffen kann, wenn man sich mit Karoline Schildknecht abgeben sollte. Diese Frau ist gestraft genug. Ihr Kind wurde gegen einen Wechselbalg ausgetauscht. Und der Hexenfluch lastet auf ihr. Da musst du keine weiteren Gerüchte in die Welt setzen«, schimpfte Helene und schnaufte verärgert aus.
Grete und Tine sahen neugierig zu Josefine, deren Kopf feuerrot wurde. »Es ist eine Unverschämtheit, mir so etwas zu unterstellen. Ich äußere nur meine Bedenken.«
»Dann ist es ja gut!«, antwortete Helene, nahm ihren Korb unter den Arm und marschierte den Weg hinauf.
• •
Karoline ging unruhig hin und her. Seit dem Morgen, als die junge Frau sie angesprochen hatte, grübelte sie, was sie ihr mitteilen wollte. »Es muss wichtig sein, sonst hätte sie es nicht gewagt, mit mir zu reden«, murmelte Karoline und blickte den Weg entlang. Endlich sah sie Helene, die auf sie zueilte.
»Ich hoffe, es hat mich niemand gesehen«, sagte sie außer Atem und schaute sich unsicher um.
»Wir können uns dort in den Hain stellen, dann kann man uns nicht sofort
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