Der Hexenturm: Roman (German Edition)
Meisterschöffen erzählen.«
»Aber die meisten Frauen trugen Masken«, setzte Maria entgegen.
»Ich weiß«, pflichtete Barnabas ihr bei. »Auch ist es dort dunkel, so dass man nur undeutlich sehen kann. Vielleicht ist dir trotzdem eine Besonderheit aufgefallen, an die du dich im Augenblick nicht mehr erinnerst. Ein Mal, ein Zeichen – irgendetwas. Deshalb, Maria, warten die Schöffen schon auf dich. Du bist wichtig, und ich werde dir helfen.«
Maria dachte nach. Zum ersten Mal in ihrem Leben wurde sie ernst genommen. Dieses Mal waren die Erwachsenen nicht die Bösen, die sie schlugen so wie ihr Vater und seine Frau, die sie schon wegen Kleinigkeiten verprügelt hatten. Barnabas schien ihr zu vertrauen, schien ihr zu glauben, dass sie beim Hexensabbat dabei gewesen war. Je länger Maria nachdachte, desto deutlicher kehrte die Erinnerung zurück, und vieles fiel ihr wieder ein. Nachdem Barnabas sie darauf angesprochen hatte, konnte sie sich tatsächlich wieder an verschiedene Zeichen erinnern.
»Aber der weite Weg …«, jammerte Maria leise.
Barnabas strich ihr liebevoll über den Kopf.
»Der Bauer wird uns mit seinem Schlitten bis zum Burgtor fahren.«
Es war tiefe Nacht, als Barnabas, Servatius und Maria wieder im Schlitten des Bauern saßen, der sie nach Hause bringen würde. Der Beginn der Befragung der Angeklagten hatte sich stundenlang hingezogen, da sich ihre Überführung hinauszögerte.
Erschöpft legte das Mädchen den Kopf an Barnabas’ Schulter. Bevor Maria einschlief, bedachte sie Servatius mit einem zornigen Blick.
Als Barnabas mit Servatius und Maria auf der Schaumburg ankam, war der Meisterschöffe Mathias Maldner noch nicht anwesend. Trotzdem gingen die drei hinunter in den »Loco Tortura«, den Folterkeller, wo man die Angeklagte gerade aufziehen wollte. Zu diesem Zweck befestigten die Folterknechte der Frau einen Strick an den auf dem Rücken gefesselten Händen und ließen diesen über eine an der Decke der Folterkammer angebrachte Rolle laufen. Darüber wurde die Angeklagte zunächst so weit in die Höhe gezogen, dass ihre Zehen gerade noch den Boden berührten. Von Schmerzen gepeinigt, schrie sie, dass sie alles gestehen würde. Trotzdem ließ man sie erst nach einiger Zeit wieder herab, damit sie losgebunden ihr Geständnis ablegen konnte. Doch kaum stand die Frau ohne Fesseln auf festem Boden, verhöhnte sie die Folterknechte und weigerte sich, auch nur irgendetwas zu gestehen.
Barnabas war erstaunt darüber, dass die Frau selbst bei dieser, wenn auch linden Folter nicht offenbarte, eine Hexe zu sein. Anscheinend wusste sie nicht, was auf sie zukommen würde, denn als man der Angeklagten erneut die Hände auf den Rücken band, riss sie entsetzt die Augen auf. Nun wurde ihr zusätzlich ein Gewicht an die Füße gehängt, um ihr durch den Zug nach unten die Arme auszukugeln. Die Frau schrie aus Leibeskräften, doch niemand schien sich an ihrem Geschrei zu stören.
Barnabas ging zum Scharfrichter und schlug ihm vor: »Ich kenne sanftere Methoden, um sie zum Reden zu bringen. Nicht immer sind die brutalen die richtigen!«
Der Mann blickte ihn mürrisch an. »Wer seid ihr drei denn, und was habt ihr hier in meinem Keller zu suchen?«
»Meisterschöffe Maldner hat uns hierher bestellt, damit wir bei der Wahrheitsfindung behilflich sind.«
Der Scherge, der die Frau gerade hochziehen wollte, ließ von ihr ab und stellte sich neben den Henker. »Willst uns wohl unseren Lohn streitig machen!«, schimpfte er und rotzte dem Magier vor die Füße.
»Ich handle nach dem ›Malleus Malleficarum‹, dem Hexenhammer, und tue nichts Unrechtes!«, verteidigte der Henker sein Vorgehen.
Barnabas sog scharf die Luft durch die Nase ein. Dieses Buch ist wahrlich die schrecklichste Anleitung zur Hexenfindung, dachte er. Er wollte den Mann aber nicht weiter verärgern und erklärte: »Ich habe nicht behauptet, dass dein Vorgehen falsch ist. Nur was nützt es, wenn die Frau während der Folter geständig ist und, sobald ihr damit aufhört, euch auslacht? Ihr wisst, dass ein Geständnis nur zugelassen wird, wenn es freiwillig, ohne Tortur, gegeben wurde.«
Wieder rotzte der Henkersknecht auf den Boden. »Das wissen wir, doch ist es uns einerlei. Je länger die Arbeit dauert, desto mehr verdienen wir. Und stört uns ja nicht dabei, sonst bekommt ihr Ärger!« Der Mann nahm den Strick wieder auf und zog die schreiende Frau weiter hoch. Da öffnete sich die Verliestür, und Maldner, ein
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