Der Hexenturm: Roman (German Edition)
der Leine.
»Ein Luftzug!«, murmelte er erschrocken. »Jemand hat ein Fenster oder eine Tür geöffnet!«
Mit zittrigen Fingern legte Burghard den Käse auf den Schreibtisch und ergriff stattdessen den Weinkrug, den er mutig hochhob. Vorsichtig schlich er sich bis zur angelehnten Zimmertür, als diese gänzlich aufgestoßen wurde und eine schwarze Gestalt sich ins Zimmer schob. Erleichtert senkte Burghard den Krug, denn er hatte den nächtlichen Besucher erkannt.
»Es wäre schade um den Wein, wenn du mir den Krug auf den Schädel hauen würdest«, lachte Bruder Ignatius.
»Verzeih, aber ich habe nicht mit dir gerechnet.«
»Ich habe mich kurzfristig entschlossen vorbeizuschauen. Zuerst dachte ich, dass niemand hier wäre, da man von draußen nichts erkennen kann.«
»Ich habe die Fenster abgehängt und den Kamin nicht entzündet, damit weder Lichtschein noch Qualm mich verraten können.«
Der Jesuit zog den Umhang fester um sich. »Es ist empfindlich kalt in diesen Räumen. Dass du in dieser Kälte arbeiten kannst, ist erstaunlich.«
Ignatius erblickte die zahlreichen Abschriften und klopfte Burghard anerkennend auf die Schulter. »Wie ich sehe, kommst du gut voran.«
Stolz stellte sich Burghard neben den Mönch und sagte: »Ich hätte nie gedacht, dass es mir so leicht von der Hand gehen würde. Da ich dank Pfarrer Schnetter und Frau Rehmringer ungestört im Pfarrhaus arbeiten kann, benötige ich nur noch wenige Sitzungen, bis die letzte Abschrift vollendet sein wird.«
»Gut so! Auch wir haben mehrere Bücher anfertigen können. Ich kann es kaum erwarten, bis das Wetter besser wird, damit wir unserer Berufung nachgehen können.«
Burghard füllte den Becher mit Wein und reichte ihn Ignatius.
»Hoffen wir, dass unsere Glaubensbrüder der Wahrheit gegenüber offen sein werden und wir viele arme Seelen retten können.«
Einige Tage später erlaubte es das Wetter Johann von Baßy, nach Püttlingen zu reiten. Der Amtmann von Wellingen wusste, dass er dafür fast den ganzen Tag benötigen würde, da das Pferd im hohen Schnee nur langsam vorankam. Auf Feldern, die von Baßy kannte, getraute er sich, das Pferd in den Trab zu bringen, doch das Tier wollte immer wieder losgaloppieren. »Das würde mir noch fehlen, dass der Gaul sich die Beine bricht und ich hier erfriere«, schimpfte von Baßy und zügelte das Pferd.
Stunden später sah er Püttlingen vor sich liegen.
»Ich kann froh sein, dass ich mich nicht verirrt habe, obwohl alles um mich herum weiß ist«, murmelte er.
Es war schon spät, als von Baßy in der Nähe des Rebenbergs in den Ort einritt. Der Amtmann von Wellingen hielt sich rechter Hand und gelangte durch die Gasse »Bey der Brück« zu dem Holzsteg, auf dem er den Köllerbach überquerte. Keine Menschenseele begegnete ihm. Er trat dem Pferd in die Flanken und preschte in den Burghof. Dort saß er ab und überließ sein Pferd dem Stallburschen, der sogleich herbeigeeilt kam. Ohne anzuklopfen, riss von Baßy das Eingangsportal auf und stürmte den Flur entlang geradewegs in den Wohnsalon. Durchnässt und frierend stellte er sich vor das wärmende Kaminfeuer. Leise stöhnend rieb er seine steifen Hände über den Flammen. Als von Baßy aus den Augenwinkeln eine Bewegung bemerkte, wandte er den Kopf und sah seinen Freund im Sessel sitzen. »Es muss dir sehr unter den Nägeln brennen, wenn es dich bei diesem Wetter zu mir treibt!«, sagte dieser spöttisch zu ihm. Dann stand er auf und reichte ihm einen Becher heißen Würzwein.
»Hier, trink, das wärmt von innen.«
Dankend nahm der Amtmann aus Wellingen das dampfende Getränk entgegen. Zwischen zwei Schlucken sah von Baßy auf und fragte: »Du hast also meine Nachricht bekommen?«
Thomas Königsdorfer nickte.
»Hast du dir meinen Vorschlag überlegt?«
Königsdorfer zuckte mit den Schultern. »Du bist selbst Amtmann und kannst die Frau in deinem Ort ins Gefängnis schaffen lassen. Warum belästigst du mich mit deinen Belangen? Ich habe in meinem eigenen Amtsbezirk genug zu tun.«
Johann von Baßy wusste, dass Thomas Königsdorfer nur versuchte, seinen Gewinn in die Höhe zu treiben.
»Du hast mehr Macht, Thomas«, schmeichelte er ihm. »Wenn ich die junge Frau in Wellingen ins Gefängnis bringen lasse, läuft meine Tante direkt zu den Kriechingern. Dann ist die Hexe schneller wieder frei, als mir lieb ist.«
»Woher stammt die Frau? Ich habe gehört, dass es mehrere Fremde sind, die bei der alten Rehmringer Unterkunft
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