Der Hexenturm: Roman (German Edition)
sicherlich noch erinnern kannst, habe ich dir im letzten Jahr den Vorschlag unterbreitet, zu mir und meiner lieben Frau zu ziehen. Dieses Angebot wollte ich erneuern. Alles ist vorbereitet, um dich willkommen zu heißen. Sicherlich wirst du nach dem strengen Winter gemerkt haben, dass dieses Gehöft für dich allein zu groß ist. Es für nur eine Person zu heizen und instandzuhalten, entbehrt jeglicher Vernunft.«
»Wie kommst du darauf, dass ich das Gehöft für mich allein heizen würde? Immerhin habe ich Gesinde.«
»Auch wenn dich dieses tatkräftig unterstützt, Tante, seien wir ehrlich, die Kosten fressen dich auf. Was willst du hier allein? Komm zu uns! Da gehörst du hin! Wir sind deine Familie – die Einzige, die du noch hast.«
Johann von Baßy beobachtete die Alte, die regungslos ins Feuer starrte und abzuwägen schien. Schließlich wandte sie sich wieder ihm zu und sagte: »Deine guten Absichten in Ehren, Johann. Aber nirgends würde es mir besser ergehen als hier!«
In dem Augenblick klopfte es, und eine junge Magd betrat den Raum. Sie begrüßte den Amtmann freundlich und sagte: »Frau Rehmringer, es ist Zeit für Euren Mittagschlaf!«
»Danke, Katharina. Geh schon vor und richte mein Bett.«
Als er den Namen der Magd hörte, verengte von Baßy die Augen und betrachtete die junge Frau genau. Das ist also die besagte Katharina, die sich von einem Schweinehirten anstatt von Paul beglücken lässt. Sie würde mir auch gefallen!, dachte er zynisch.
Das Mädchen nickte ihm zu und verließ den Raum. Von Baßy räusperte sich, um die Aufmerksamkeit seiner Tante auf sich zu lenken. »Wie wirst du dich entscheiden, Tante?«
»Warum sollte ich mein Heim aufgeben? Dank Katharina geht es mir bestens, und um die Kosten für die Unterhaltung meines Anwesens musst du dich nicht sorgen, Johann. Graf Ludwig II. von Nassau-Saarbrücken hat bereits mehrere wertvolle Kutschpferde bestellt. Sobald sie ausgebildet sind, wird mein Stallmeister die Pferde nach Saarbrücken bringen. Du siehst, mein Lieber, du sorgst dich umsonst.«
Regina Rehmringers Worte zeigten bei von Baßy nicht die Wirkung, die sie sich erhofft hatte. Nachdenklich zog sie ihre Stirn kraus. Was führt er im Schilde, grübelte sie.
Das Kaminfeuer hatte den Amtmann anscheinend genug gewärmt, denn er setzte sich in den Sessel neben ihr und legte entspannt die Beine übereinander.
»Ist dir schon zu Ohren gekommen, was im Ort erzählt wird?«
Neugierig setzte sich die Frau auf und schüttelte den Kopf.
Der Amtmann beugte sich nach vorn und sagte mit ernster Stimme: »Dunkle Gestalten sollen des nächtens in Wellingen ihr Unwesen treiben. Man hat beobachtet, wie sie neugierig in die Fenster und Stallungen schauten. Auch um den Rehmringer Hof sollen sie geschlichen sein. Die Leute sagen, diese Gestalten wären lautlos wie Fledermäuse und würden ebenso wie diese unheimlichen Tiere schnell und geräuschlos verschwinden. Man könnte nur ihre Schattenumrisse erkennen.«
Mit großen Augen starrte er die Frau an, die sich in ihrem Sessel zurücklehnte und zu verstecken schien.
»Das hört sich furchtbar an!«, sagte Regina Rehmringer. »Sicher handelt es sich um herumstreunendes Gesindel, das ein trockenes Plätzchen sucht.«
»Tante, nimm es nicht auf die leichte Schulter. Dämonen könnten ebenso ihr Unwesen treiben wie Hexen, die der Teufel ausgesandt hat, um Schadenszauber zu verrichten.«
»Papperlapapp! Was erzählst du für dummes Zeugs? Wenn diese Gestalten durchs Fenster glotzen wollen, dann sollen sie es tun. Der liebe Herrgott wird über mich wachen!«
Von Baßys Mund wurde zu einem schmalen Strich. Es kostete ihn Mühe, sich zu beherrschen.
Regina Rehmringer sah die Veränderung in seinem Gesicht und triumphierte innerlich. Bevor er wieder das Wort ergreifen konnte, sagte sie: »Du musst mich jetzt entschuldigen, Johann. Ich möchte Katharina nicht warten lassen, da sie sich sonst Sorgen macht. Sie ist ein so nettes Mädchen, das sehr auf mein Wohlbefinden achtet. Aber vor allem kann Katharina wundervolle Geschichten erzählen. Geschichten, die mich erfreuen und schlafen lassen wie ein Kleinkind.«
Regina Rehmringer erhob sich und ging zur Tür. »Ich danke dir und deiner lieben Frau für eure Fürsorge, aber wie du siehst, ist sie nicht vonnöten.«
Mit diesen Worten verließ sie den Raum und ließ den Amtmann von Wellingen sprachlos zurück.
Zornig hieb Johann von Baßy mit der Faust auf die Armlehne des gepolsterten Sessels
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