Der Hexenturm: Roman (German Edition)
feiern.«
Barnabas saß mit Maria, Servatius und der Bauernfamilie am Tisch und knabberte eine Rippe des Spanferkels sauber.
»Solch einen Festbraten gab es bei uns noch nie zu essen!«, schmatzte der Bauer und sah grinsend zu seiner Frau.
»Wir können dir nicht genug danken!«, sagte das Weib und blickte auf ihre Kinder, deren Wangen vom Bratenfett glänzten. Auch Maria langte kräftig zu und war gut gelaunt. Nur Servatius schaute über seinen Fleischknochen mürrisch in die Runde. Vergnügt schenkte Barnabas dem Mönch Rotwein nach und sagte: »Entspanne dich! Heute ist ein Tag der Freude.«
Servatius’ Blick schweifte zu Maria, die mit den Kindern herumalberte. Wenn ich nur wüsste, wie ich diese Kröte loswerden kann, überlegte er missmutig.
Als könne sie seine Gedanken lesen, schaute Maria im gleichen Augenblick zu ihm hinüber. Als das Mädchen sah, dass Servatius sich von ihr ertappt fühlte, lachte es laut auf.
Kapitel 27
Im Januar des Jahres 1618 prasselte der Regen unaufhörlich vom Himmel und tauchte Wald und Feld in graues Licht. Bäche, Seen und Flüsse schwollen an und überfluteten die Auen, so dass sich das Land in eine Seenlandschaft veränderte.
Selbst der Hessbach, der sonst ruhig mitten durch die Hauptstraße von Wellingen führte, wurde zu einem gefährlichen Gewässer. Als der alte Hochstetter seinen Nachttopf in dem Bach entleeren wollte, verlor er das Gleichgewicht und stürzte hinein. Seine Schreie gingen in dem Getose des Wassers unter, und so fand man seine Leiche erst einige Tage später außerhalb des Ortes an einem Baum hängend, dessen Äste bis über den Bach reichten.
Die Menschen in Wellingen verließen nur selten ihre Häuser, zumal sich die festgestampften Wege in schlammige Pfade verwandelten, in denen man knöcheltief einsank. Die Arbeit der Bauern musste ruhen, und so saßen sie in ihren Häusern und beschäftigten sich mit dem Ausbessern der Arbeitsgeräte, dem Flechten von Körben oder dem Stopfen von Löchern in Dach und Gemäuer.
Im Februar herrschte eisige Kälte, die Mensch, Tier und Natur betäubte. Das Wasser erstarrte zu Eis, so dass die Wege spiegelglatt wurden. Fast täglich musste der Arzt Knochenbrüche richten, und manch einer starb an Wundfieber.
Der alten Kräuterfrau Ida fror die Nasenspitze ab, weil sie vergaß, sie dick mit Melkfett einzuschmieren. Als sie zum Kräutersuchen im Wald unterwegs war, bemerkte sie in ihrem Eifer die Kälte nicht, und erst in der Wärme spürte sie den stechenden Schmerz. Ihre Nasenspitze verfärbte sich pechschwarz, was für manche Häme sorgte.
Die Kinder waren die Einzigen, denen die klirrende Kälte nichts ausmachte. Unentwegt rutschten sie auf dem zugefrorenen Bach und jauchzten vor Vergnügen. Riefen die Mütter sie zurück ins Haus, weil sie sich am Ofen wärmen sollten, hörte man die Jungen und Mädchen wie Rohrspatzen schimpfen.
Endlich kündigte sich der März an, und die Menschen hofften auf den ersehnten Frühling. Stattdessen fegten Winde über das Land, die Schnee mit sich führten. Die Männer wurden ungeduldig, da sie die Felder bestellen wollten, und selbst das Vieh blökte, wieherte, meckerte oder grunzte in den Ställen, denn es wollte nicht länger eingesperrt sein. In einigen Häusern wurde das Brennholz, in anderen die Lebensmittel knapp. Manch einer litt quälenden Hunger, während andere im kalten Haus saßen und erbärmlich froren. Die Hoffnung schwand, dass es schnell anders werden könnte.
Johann von Baßy musste sich durch das Schneegestöber kämpfen, um zum Rehmringer-Gestüt zu gelangen. Der Wind trieb ihm unentwegt die zu Eis erstarrten Schneeflocken ins Gesicht, die er wie Nadelstiche auf der Haut spürte. Als er endlich auf dem Hof ankam, saß Regina Rehmringer vor einem wärmenden Kaminfeuer, wohl gelaunt und guter Dinge. Erstaunt sah sie den bibbernden Mann an, der sich seines durchnässten Umhangs entledigte und sich vor das Kaminfeuer stellte.
»Wie ich sehe, liebe Tante, mangelt es dir an nichts«, sagte von Baßy mit verkniffener Miene. Er versuchte seiner Stimme einen freundlichen Klang zu verleihen, was ihm jedoch nicht recht gelingen wollte. Obwohl er seine Mundwinkel nach oben zog, waren seine Augen kalt. Regina Rehmringer musterte ihn misstrauisch.
»Ich glaube nicht, dass du gekommen bist, um dich nach meinem Befinden zu erkundigen. Was führt dich bei diesem scheußlichen Wetter zu mir, Johann?«
Der Amtmann räusperte sich. »Wie du dich
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