Der Hexenturm: Roman (German Edition)
sagte sie und musste erneut aufstoßen. »Es ist zu komisch! Immer wenn ich dieses saure Wasser trinke, muss ich lachen.«
Johann nickte. »Ja, so geht es mir auch. Wenn der Müller nicht gesagt hätte, dass man das Wasser trinken kann, hätte ich es bestimmt nicht probiert. Der Boden, auf dem die saure Quelle in den Bach fließt, hat sich wie rostiges Eisen verfärbt. Auch in den Kannen setzt sich diese ockerfarbene Schicht ab. Nicht gerade einladend, um seinen Durst damit zu stillen. Aber es schmeckt mir.«
»Bist du mit deiner Arbeit fertig?«, fragte Franziska und blickte zu dem Karren, auf dem etliche Gefäße standen.
»Das ist die letzte Fuhre. Wenn du mir hilfst, die Krüge zu füllen, dann können wir anschließend noch im Mühlenteich baden gehen.«
»Was?«, rief Franziska entsetzt. »Das Wasser ist doch viel zu kalt. Da hole ich mir noch den Tod!«
»Ach was. Es wird dir guttun! Zumal du über und über mit Mehl bestäubt bist.«
Johann zwinkerte ihr zu und holte die steinernen Krüge vom Karren. Während er sie neben der Quelle aufreihte, begann Franziska die ersten zu füllen. Anschließend verschloss sie die Behälter mit Holzpfropfen.
Nachdem der letzte Krug auf dem Ziehkarren stand, nahm Johann die Deichsel auf. »Komm, mein Herzblatt!«, neckte er seine Frau. »Wir wollen zusammen zum Jagdschloss gehen.«
Sie gingen eine Weile schweigend nebeneinanderher, als Franziska fragte: »Hast du mit Graf Georg von Beilstein gesprochen?«
Kleinlaut antwortete Johann: »Nein, ich habe nur mit einem der Diener sprechen können, die mir die Krüge am Kücheneingang abnahmen. Er sagte, dass dieses Schloss lediglich ein Jagdschloss ist, das der Graf als Sommersitz nutzt. Bereits in wenigen Tagen werden sie nach Burg Beilstein zurückkehren.«
»Aber vielleicht braucht man auf Burg Beilstein helfende Hände. Du bist fleißig und stark, und bis das Kind kommt, kann auch ich zupacken.« Franziskas Stimme überschlug sich beinahe, und Johann konnte ihre Verzweiflung spüren. Er blieb stehen und nahm sie in die Arme.
»Verlier nicht die Hoffnung, Franziska! Bevor das Kind zur Welt kommt, haben wir ein Heim gefunden, das verspreche ich dir.«
Müde von der schweren Arbeit lagen Burghard, Katharina, Clemens, Johann und Franziska auf dem harten Holzboden der Mehlkammer. Keiner sagte etwas, jeder hing seinen eigenen Gedanken nach.
»Es ist abzusehen, dass der Müller uns fortschicken wird. Dass er nicht fünf zusätzliche Mäuler stopfen kann, hat er uns schon am ersten Tag gesagt«, durchbrach Burghard das Schweigen.
»Ja, es ist besser, wenn wir jetzt aufbrechen. Das Wetter ist noch mild, doch schon bald wird es ungemütlich werden«, merkte Johann an und legte sich auf die Seite, so dass er jeden seiner Begleiter anblicken konnte.
»Ich bin froh, wenn wir weiterziehen. Ich kann kaum noch die Arme heben«, stöhnte Clemens und fügte lachend hinzu: »Ich bin es nicht gewohnt, so schwer zu arbeiten!« Als er weitersprach, lag Wehmut in seiner Stimme. »Was würde ich darum geben, wieder auf dem Gestüt meiner Eltern zu sein. Ich vermisse den Stallgeruch und das Wiehern der Pferde. Wie viele Fohlen sie wohl dieses Jahr bekommen haben?«
»Wolltest du schon immer Pferdezüchter werden?«, versuchte Katharina ihn abzulenken. Clemens ging sofort auf ihre Frage ein und wandte den Kopf in ihre Richtung.
»Meine Mutter erzählte stets, dass ich eher reiten als laufen konnte.« Trotz des schwindenden Tageslichts konnten die anderen sehen, dass er lächelte.
»Wie viele Pferde stehen auf eurem Gestüt?«
»Die Zuchthengste, die Stuten mit den Fohlen, die Ein-, Zwei-und Dreijährigen …« – Clemens rechnete – »fast zweihundert Pferde, von denen jedes Jahr immer die verkauft wurden, die wir ausgebildet haben.«
»Dann bist du aus wohlhabendem Haus«, stellte Franziska nüchtern fest. Über diese Aussage musste Clemens laut lachen. »Was nützt es? Ich schleppe Mehlsäcke, damit ich auf hartem Boden schlafe und dünne Suppe zu essen bekomme.«
Katharina erkannte zwischen dem Spott seine Traurigkeit und versuchte ihn zu trösten. »Eines Tages wirst du zurück nach Dingelstedt gehen und auf dem Gestüt deiner Eltern leben.«
»Wenn es dann nicht zu spät ist!«, flüsterte Clemens.
»Vielleicht gibt es irgendwo hier in Nassau einen Pferdehof, auf dem du arbeiten kannst. Arbeiter mit Erfahrung kann man immer gebrauchen. Was meinst du?«, fragte Katharina zuversichtlich, doch Clemens antwortete
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