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Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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nicht.

     
    Am nächsten Morgen war Clemens’ Platz in der Kammer leer. »Wo ist er hin?«, fragte Franziska und blickte besorgt zu Johann, der nur mit den Schultern zuckte.
    »Er wird sich doch wohl nichts angetan haben?«, flüsterte Katharina.
    »Dummes Weibergeschwätz!«, schimpfte Burghard. »Clemens ist kein Hasenfuß. Der liebe Herrgott wird über ihn wachen!«
    »Spricht jetzt der Mönch Burghard?«, neckte Johann den ehemaligen Franziskaner. Ertappt verzog Burghard das Gesicht, als die Kammertür aufgestoßen wurde und laut gegen die Wand knallte.
    Mit erhitztem Gesicht und strahlenden Augen stand Clemens im Türrahmen. Leichtfüßig ging er zuerst zu Katharina und dann zu Franziska und schwenkte beide wie zum Tanz.
    »Was ist denn mit dir passiert?«, wollten die beiden Frauen beinahe gleichzeitig wissen.
    »Ohne euch hätte ich nie darüber nachgedacht! Danke, danke, danke«, rief Clemens laut. Fragend blickten die anderen ihn an.
    »Ich weiß jetzt, wohin ich gehen werde«, klärte er sie auf.
    Johann runzelte die Stirn. »Zurück nach Dingelstedt?«
    »Nein!«, rief Clemens. »Zu Melchior Rehmringer.« Dann setzte er sich auf den Boden und lehnte sich gegen einen Holzpfeiler.
    »Wer ist Melchior Rehmringer?«
    Clemens antwortete nicht sofort, sondern griente. Dann sagte er: »Melchior Rehmringer ist ein bekannter und wohlhabender Pferdezüchter. Er kam jedes Jahr zu meinen Eltern aufs Gestüt und kaufte zahlreiche Pferde, die er zu Kutschpferden ausbilden ließ. Das letzte Mal sah ich ihn und seine Mutter im vergangenen Sommer.«
    »Seine Mutter?«, fragte Franziska ungläubig.
    Clemens nickte. »Rehmringer ist nicht verheiratet. Ich denke, dass er sich in meine Schwester verguckt hatte. Seine Mutter mag Anna nämlich sehr. Bei ihm hätte Anna es sicher gut gehabt. Nicht wie bei diesem Wilhelm Münzbacher, den sie unbegreiflicherweise heiratete und der unser aller Leben zerstörte.« Für einen Moment verfinsterte sich Clemens’ Gesicht. Er strich sich mit der Hand über die Augen und scheuchte scheinbar die schlechten Gedanken fort. Mit Zuversicht in der Stimme fuhr er dann fort: »Rehmringer wird mich sicherlich bei sich aufnehmen, erst recht, wenn er von meinem Schicksal erfährt.«
    »Lebt dieser Mann hier in der Nähe?«, fragte Franziska neugierig. Clemens schüttelte den Kopf. »Ich habe die halbe Nacht wach gelegen und gegrübelt, wo Rehmringer wohnt. Mir fiel nur ein, dass er mal erwähnte, sein Gestüt befände sich nahe der Grenze zu Lothringen. Er schimpfte damals, dass Dingelstedt so weit von ihm entfernt und die Reise mühselig sei. Da er unsere Pferdezucht aber zu schätzen wusste, nahm er die Strapazen einmal im Jahr gerne in Kauf. Er nannte auch den Ort, an dem er lebte, aber an den Namen kann ich mich nicht mehr erinnern.«
    »In welche Richtung musst du gehen? Lothringen klingt, als ob es am anderen Ende der Welt liegen würde!«, warf Franziska zaghaft ein. Clemens stimmte ihr zu: »Ja, das könnte man wahrlich meinen. Aus diesem Grund wollte ich Graf Georg sprechen. Da er heute eine große Treibjagd veranstaltet und bis in den späten Abendstunden unterwegs sein wird, bin ich in aller Frühe zum Jagdschloss gegangen.«
    »Wegen der Jagd musste ich gestern den lieben langen Tag saures Wasser in die Küche vom Schloss karren«, grummelte Johann. Clemens bedachte ihn mit einem gespielt mitleidigen Blick, was die anderen laut auflachen ließ. Dann sprach er weiter: »Grafen sind weit gereiste Männer oder kennen Pilger oder andere Reisende. Es war für mich naheliegend, ihn nach dem Weg zu fragen.«
    »Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein Adeliger mit dir reden würde, zumal …« Johann stockte.
    »Zumal ich durch meine Verletzung unansehnlich geworden bin«, führte Clemens den Satz weiter. Johanns Blick bat um Verzeihung.
    »Ja, du hast Recht, Johann. Kein Adeliger gibt sich mit unsereins ab. Mein Glück war es, dass Graf Georg im Stall bei seinen Pferden stand und mit einem Reiter sprach. Ich tat, als ob ich dort zu schaffen hätte. Stellt euch vor, als ich durch die Stallgasse ging, entdeckte ich mehrere Pferde aus unserer Zucht.«
    »Wie willst du eure Pferde in einem fremden Stall erkannt haben? Pferde sehen doch alle gleich aus«, warf Burghard ungläubig ein.
    »So wie jeder Schäfer seine Schafe auseinanderhalten, wie jeder Bauer eine Kuh von der anderen unterscheiden kann, so können wir unsere Pferde erkennen. Leichter ist es natürlich, wenn die Pferde Zeichnungen auf

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