Der Hexenturm: Roman (German Edition)
er sich und sah verärgert in die Runde.
Der Pförtner und zwei Mönche kamen nun über den Hof auf sie zu. Bruder Benedikt stellte die beiden Brüder vor: »Das ist Bruder Hospitarius. Er ist für das Pilgerhaus zuständig. Dort werden unsere beiden Schwestern nächtigen. Bruder Hospitarius wird euch eine Matte und eine Decke für die Nacht geben und euch mit Essen versorgen.« Als er Franziskas ängstlichen Blick bemerkte, fügte er lächelnd hinzu: »Sei unbesorgt, Schwester! Ihr könnt ohne Angst mit ihm gehen.« Franziska küsste Johann flüchtig auf die Wange und folgte dann zögerlich zusammen mit Katharina dem Mönch. Nun wandte sich Benedikt den Burschen zu: »Bruder Camerarius wird euch das Gästehaus zeigen, das für diese Nacht eure Schlafstätte sein wird. Auch wird man euch das Abendmahl dorthin bringen.«
Dankend folgten die drei jungen Männer dem Mönch. Johann blickte sich kurz nach Franziska um und sah, wie sie im Pilgerhaus verschwand.
Abt Martinus und Bruder Bonifatius nahmen zusammen mit Johann, Burghard und Clemens ihr Mahl im Gästehaus ein. Es gehörte zur Benediktinerregel, dass man Gästen auf diese Weise huldigte.
Bevor das Essen aufgetragen wurde, betete man zusammen. Zur Überraschung der drei Freunde wurden sie anschließend vom Abt und von Bonifatius auf den Mund geküsst.
Bonifatius konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen, als er die entsetzten Gesichter seiner Gäste sah. Leise erklärte er: »Dieser Friedenskuss wird als Zeichen der Gemeinschaft ausgetauscht. Damit sich der Teufel nicht als Pilger tarnen und sich unserer Seelen bemächtigen kann, wird der Kuss erst nach dem Gebet gegeben.«
Misstrauisch blickten die Burschen ihn an. Bonifatius nahm ein Buch zur Hand und las die Weisungen Gottes vor. Erst danach wurde das Essen aufgetragen, das man schweigend zu sich nahm.
Johann brachte kaum einen Bissen hinunter. Er dachte an Franziska und sah ihre ängstlichen Augen, als sie sich von ihm getrennt hatte. Gewissensbisse plagten ihn. Wie konnte ich ihr nur sagen, dass Clemens mir geraten hatte, sie zu züchtigen, schimpfte er mit sich in Gedanken. Nie und nimmer würde ich meiner Frau das antun. Ich bin kein Ungeheuer wie Bonner. Und so will ich auch niemals werden, dachte er erregt und wäre am liebsten zu Franziska geeilt, um ihr das zu versprechen. Als er aufblickte, sah er ein Holzkreuz mit einer Jesus-Figur an der Wand hängen. Der Anblick des Kreuzes beruhigte ihn, und er wandte sich wieder dem Essen zu.
Clemens hingegen beobachtete die Mönche und wusste nicht, was er von deren Gehabe halten sollte. Seit seinen Eltern, seiner Schwester und ihm so viel Böses widerfahren war, hatte er den Glauben an Gott verloren. Missmutig schaute er auf das Kreuz an der Wand. Wo warst du, als wir dich gebraucht haben?, richtete er in Gedanken eine stumme Frage an die Holzfigur.
Unbemerkt wischte er sich nochmals über den Mund. Soweit kommt es noch, dass ich mich von Männern küssen lasse!, dachte er erbost. Doch da er großen Hunger verspürte, verflog sein Ärger rasch, und er füllte seine Schüssel.
Burghard hörte nicht auf zu lächeln. In den letzten Monaten war er nicht mehr so zufrieden gewesen wie an diesem Abend. Er musste sich zusammennehmen, um nicht auffällig an allem zu schnuppern, denn überall haftete der besondere Geruch, der ihn an das Kloster zu Mainz erinnerte. Auch genoss er die Stille, in der das Abendmahl eingenommen wurde. Als von draußen leise Stimmen an Burghards Ohr drangen, schloss er die Augen und wünschte sich in das Refektorium, wo die Mönche zusammensaßen und aßen. Er wusste, dass jetzt der Leser, der jeden Sonntag für eine Woche bestimmt wurde, im Gebet für alle bat, Gott möge den Geist der Überheblichkeit von ihnen fernhalten. Aber Burghard wusste auch, dass man ihn nicht in die Klausur lassen würde, da die Anwesenheit eines Fremden Unruhe stiften würde.
Schweigend aßen Burghard, Johann und Clemens ihr Mahl zu Ende. Anschließend gossen ihnen Martinus und Bonifatius Wasser über Hände und Füße und wuschen sie.
Steif erduldeten Johann und Clemens die Zeremonie, während Burghard auch diesen Augenblick genoss. Danach wünschten die beiden Benediktiner ihnen eine gute Nacht und ließen sie allein. Kaum schloss sich die Tür hinter den Mönchen, schimpfte Clemens: »Sobald der erste Hahnenschrei ertönt, werde ich von hier verschwinden. Igitt, ich musste Männer küssen und mich von ihnen waschen lassen!«
Johann und
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