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Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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wieder blickte er sich ängstlich um, ob ihn jemand verfolgte oder ihm auflauerte. Jedes kleinste Geräusch ließ ihn zusammenzucken.
    Seit Burghard den Schatten begegnet war und Frau Rehmringer bestätigt hatte, dass es sie tatsächlich gab, schlief er kaum noch. Jede Nacht wachte er schweißgebadet auf und lag bis zum Morgengrauen wach. Manchmal hatte er das Gefühl, die Schatten seien in seiner Kammer. Obwohl Clemens, mit dem er sich den Raum teilte, seelenruhig weiterschlief, traute sich Burghard vor Angst kaum zu atmen und zog die Decke bis über die Ohren. Aber nicht nur nachts, sondern auch bei Tag war die Angst vor diesen schwarzen Gestalten stets gegenwärtig.
    Der Hoxberg war das größte Waldgebiet in der Umgebung, und nur hier fand Burghard das Laub, das er benötigte. Da er sich in Begleitung sicherer fühlen würde, hatte er jeden auf dem Hof gefragt, ob er mit ihm kommen wollte. Aber keiner hatte Zeit, denn es waren nur wenige Tage bis zum Heiligen Abend, und bis dahin musste noch viel erledigt werden.
     
    Burghard hatte die Entfernung bis zum Wald im Laufschritt bewältigt. Es war noch früher Mittag, als er keuchend dastand und den Waldesrand im Auge behielt. Er schwitzte wie im Hochsommer, aber er wusste, dass der Schweiß nicht von der Anstrengung herrührte, sondern von seiner unbändigen Angst.
    Als ein Schwarm Raben aus den Baumkronen laut krächzend aufflog, stieß er einen spitzen Schrei aus. Burghard erschrak so heftig, dass er glaubte, sein Herz würde aufhören zu schlagen. Nur langsam beruhigte sich sein Puls wieder, und er schnaufte einige Male durch. Dann nahm er all seinen Mut zusammen und zog seinen Schlitten dicht an den Rand des Waldes.
    »Wenigstens gibt es keinen Grenzsteingänger, sonst würde ich diesen Wald nicht für alles Gold der Welt betreten.« Burghard griff nach einem Leinensack. »Je schneller ich die Säcke fülle, desto eher bin ich wieder zu Hause«, machte er sich Mut und stapfte in den Wald hinein.

     
    Der Amtmann Johann von Baßy kochte vor Wut. Die Fremden waren nun schon mehrere Wochen in Wellingen, und er konnte nichts gegen sie unternehmen.
    Diese Alte war so raffiniert und hat das Einzugsgeld für die fünf nicht mir, dem Amtmann der Grafschaft Nassau-Saarbrücken, sondern dem Amtmann von Kriechingen entrichtet, schimpfte er in Gedanken. Deshalb sind sie ihm und nicht mir unterstellt.
    Von Baßy sprang von seinem Stuhl am Schreibtisch auf und ging zum Fenster seiner Kanzlei. Er sah hinaus zum zugefrorenen Hessbach, der vor seinem Amtssitz, dem Wellinger Schloss, mitten durch den Ort floss. Schlecht gelaunt beobachtete er die Kinder, die auf dem Bauch über den erstarrten Bach rutschten. Obwohl fröhliches Kinderlachen zu ihm hochdrang, verzog von Baßy keine Miene. »Ich habe schon immer gesagt, dass es Torheit ist, einen Ort unter zwei Herrschaften aufzuteilen. Ebenso ist es Dummheit, dass freie Bürger wie meine Tante mitbestimmen können und mir keine Rechenschaft über ihr Handeln ablegen müssen. Was interessiert es den Grafen von Nassau-Saarbrücken, was hier in Wellingen vor sich geht? Ich könnte ihm höchstens mitteilen, dass das Einzugsgeld als Einnahme verloren gegangen ist und sich nun die Grafschaft Kriechingen daran erfreuen kann.«
    Der Amtmann stöhnte laut auf. »Verdammtes Pack! Und Paul ist zu nichts nutze! Statt sich über das Weibsstück herzumachen, tanzt sie ihm auf der Nase rum und schweigt. Das Einzige, was er herausfinden konnte, ist, dass sie von jenseits der Werra stammen. Vom Eichsfeld, wo sie einen sonderbaren Dialekt sprechen, den kaum einer verstehen kann. Pah! Eichsfeld! Keiner weiß, wie weit das von hier entfernt ist.« Johann von Baßy wandte sich vom Fenster ab und ging zurück zum Schreibtisch. »Das Gestüt war bereits so gut wie meines und die Alte so gut wie tot. Aber dank dieser dummen Gans, die sie pflegt, erfreut sich Regina wieder bester Gesundheit. Und auch ihren Lebensmut hat die Alte wiedergefunden.« Wütend fegte der Amtmann einen Stapel Blätter vom Schreibtisch. Als er sich bückte, um die Seiten wieder aufzuheben, fiel ihm ein Schreiben in die Hände, das seine Stimmung schlagartig hob. Er sah auf das Siegel des Amtmanns von Püttlingen und überlegte. »Es wäre doch gelacht, wenn ich die fünf nicht loswerden würde. Wenigstens den Pferdekenner und das Weibstück. Die drei anderen werden dann von selbst das Weite suchen.« Von Baßy lächelte gehässig. »Wenn alle Stricke reißen, wird Königsdorfers

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