Der Hexenturm: Roman (German Edition)
an den beiden vorbeigingen, schüttelten den Kopf. Barnabas glaubte, das Wort Hexenkind zu hören. Aber sie ist kein Hexenkind, sondern eine Kinderhexe, dachte er mit schmerzverzerrtem Gesicht.
Endlich gab Maria auf. Ungläubig blickte sie zu dem Mann empor, der stärker und unnachgiebiger war als sie selbst.
Barnabas sah ihr in die Augen und sagte weder ein Wort des Vorwurfs noch der Schelte. Stumm nahm er ein Tuch aus seinem Beutel und verband sich damit die tiefe Wunde. Dann ergriff er erneut Marias Hand und folgte den anderen zum Richtplatz. Gefügig marschierte das Mädchen nun neben ihm her.
Als sie den Henkersplatz erreichten, stieß man Barbara Backes gerade vom Fuhrwerk.
Barnabas stellte erstaunt fest, dass man hier keinen Scheiterhaufen aufgetürmt, sondern eine Hütte aus Binsen gebaut hatte. Er erinnerte sich, dass der Henker in Euren erwähnt hatte, dass dort ebenfalls Binsenhütten gebrannt hätten.
Der Magier trat näher heran, um sich die Hütte genauer zu besehen. Dabei ließ er Marias Hand nicht los und zog das widerspenstige Kind hinter sich her. Er blickte in die Hütte hinein und sah einen Pfahl, der in der Mitte eingegraben war. Trockene und dünne Äste, die dicht an dicht und mannshoch aufgestellt waren, bildeten die Wände.
Als der Henker, dessen Kopf mit einer schwarzen Kapuze verhüllt war, mit Barbara Backes auf sie zutrat, wichen der Magier und Maria zurück. Ungewollt stand Barnabas plötzlich neben den Männern des Ausschusses und auch neben Servatius, der gebannt auf das weitere Geschehen wartete.
Ungerührt führte der Henker die weinende und schreiende Frau in die Hütte, wo er ihr die Hände hinter dem Rücken an dem Pfahl festband. Barbara flehte, man solle sie losbinden, doch stattdessen legte der Henker ihr eine Schlinge um den Hals und zog zu. Als sie röchelte und zuckte, zog der Henker fester. Erst als ihr Körper schlaff am Pfahl hing, löste er das Seil. Der Scharfrichter trat vor die Hütte und zündete die trockenen Äste mit einer Fackel an. Knisternd fraß sich das Feuer durch die Binsen.
»Auf dass die Hexe niemals wieder Angst und Schrecken über die Menschen bringt!«, sagte der Mann mit den Glupschaugen zu Barnabas. Widerwillig wandte der Magier sich ihm zu.
»Ich habe gehört, dass Ihr ein Zauberer seid?«
Barnabas nickte.
»Euer Freund weiß, wie man die Wahrheit aus den Hexen herauspresst«, feixte der fette Mann schnaufend, während er sich mit der Hand den Schweiß von der Stirn wischte.
»Ja, darin ist er besonders gut«, antwortete Barnabas scheinbar ungerührt. »Servatius kann gerne bei Euch bleiben und weiterhin behilflich sein.«
Vielleicht werde ich ihn so endlich los, dachte der Magier hoffnungsfroh, doch der Mann winkte ab.
»Die anderen Frauen werden morgen gestehen und ebenfalls hingerichtet werden. Und damit ist die Sache aus der Welt. Nur sie«, er blickte nachdenklich zu Maria, »könnte uns noch Scherereien machen.«
»Wie ich erfahren habe, ist das Mädchen ein Waisenkind. Jemand aus dem Dorf müsste es bei sich aufnehmen und versorgen. Vielleicht hat der Ausschuss die Güte …«, fragte der Magier mit Unschuldsmiene.
Barnabas wusste, dass er das Mädchen nicht einfach auf seine Reise mitnehmen konnte. Er war sich außerdem sicher, dass sich niemand im Dorf des Mädchens annehmen würde. Die vier Mitglieder des Ausschusses schienen diese Annahme zu bestätigen. Der Gedanke, das Kind zu sich zu nehmen, bereitete ihnen sichtbar Unbehagen. Der Mann mit den eng zusammenstehenden Augen hatte als Erster die Sprache wiedergefunden und zischte: »Das Kind war auf dem Hexensabbat. Zwar unfreiwillig, da von der Mutter dazu verführt, und somit nicht schuldig. Aber die Dämonen könnten sich dem Kind nähern. Der Teufel könnte ihr einen Pakt anbieten und sie zur Hexe machen.«
Der dicke Mann schnaufte: »Bis jetzt hat sie sich ihre kindliche Unschuld noch bewahrt, und Kinder sagen grundsätzlich die Wahrheit. Doch was wird in einem Jahr sein?«
Alle vier schienen große Angst zu haben, dass das Kind ebenfalls zur Hexe werden könnte.
Barnabas tat, als denke er nach. Immer wieder schweifte sein Blick zu Maria, die am Boden saß und mit ihren Fingern Ameisen zerquetschte. Schließlich erklärte er: »Wie Ihr richtig bemerkt habt, bin ich ein Magier, der Hexen erkennen und Schadenszauber aufheben kann. Deshalb würden die Dämonen ihr in meiner Nähe nicht nachstellen.«
Die Männer sahen ihn erstaunt an. Dann steckten sie die Köpfe
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