Der Hexenturm: Roman (German Edition)
bekommen, wenn er deine Geschichte erfährt. Und Angst macht Menschen blind – auch vor der Wahrheit. Johann von Baßy ist solch eine Person, und er ist nicht zu unterschätzen.«
Franziska nickte. »Ja, ich weiß, Frau Rehmringer. Deshalb rede ich mit niemandem darüber.«
Die alte Frau tätschelte Franziskas eiskalte Hand. »Hab keine Angst, mein Kind! Ich werde dafür sorgen, dass euch niemand zu nahe tritt.«
Regina Rehmringer stand auf und ging zur Tür. Im Hinausgehen sagte sie: »Du kannst dir nicht vorstellen, wie sehr ich mich auf euer Kind freue. Ich kann es kaum erwarten, dass endlich wieder Kinderlachen im Haus erklingt!«
Als Katharina nach dem Melken aus dem Kuhstall trat, stand Paul schon da und nahm ihr wortlos den Eimer mit der Milch ab. Dankbar lächelte sie ihn an und ging gemeinsam mit ihm über den Hof. Katharina wusste nicht, was sie von dem Mann halten sollte, der fortwährend ihre Gesellschaft suchte. Es war klar, dass Paul keine Gelegenheit ausließ, um mit ihr zu reden. Ständig stellte er Fragen über ihre alte Heimat, denen sie geschickt auswich. Manchmal versuchte er sogar ihre Hand zu greifen, die sie ihm jedoch sachte entzog.
Katharina konnte nicht leugnen, dass sie Pauls Gesellschaft mochte. Sie glaubte, dass er mehr als Freundschaft erwartete, doch Freundschaft war das Einzige, was sie ihm anbieten konnte. Erst vor wenigen Tagen, als Paul versucht hatte, sie an sich zu ziehen, um ihr einen Kuss zu geben, hatte sie gespürt, dass sie keine tiefen Gefühle für ihn hegte. Da sie noch nie in solch einer Lage gewesen war, hatte sie nicht gewusst, wie sie sich verhalten sollte. Und so war sie hastig vom Heuschober geflohen, auf dem sie sich nach dem Abendmahl getroffen hatten. Erneut war ihr da bewusst geworden, dass sie ihr Herz bereits verschenkt hatte.
Paul hingegen ließ sich nicht entmutigen und tauchte immer zur rechten Zeit am rechten Platz auf, um ihr behilflich zu sein. Gerne hätte Katharina mit Franziska darüber gesprochen, aber die hatte mit sich und dem ungeborenen Kind genug zu tun.
»Ich gehe heute Abend zum Angeln. Hast du Lust, mir Gesellschaft zu leisten?«, flüsterte Paul Katharina ins Ohr und riss sie aus ihren Gedanken. Katharina kicherte, da sein warmer Atem sie kitzelte. »Du bist wohl verrückt!«, schimpfte sie verhalten. »Es ist klirrend kalt.«
Paul zuckte mit den Schultern. »Ich muss Karpfen für den Heiligen Abend fangen. Außerdem wüsste ich schon etwas, damit uns warm wird«, flüsterte er mit belegter Stimme. Nun lachte sie verunsichert auf und schlug scheinbar entrüstet nach ihm. Clemens war im Stall beschäftigt, als Katharina und Paul um die Ecke kamen. Die junge Frau schien Paul aufmerksam zuzuhören, als der ihr leise etwas zuflüsterte. Clemens sah, wie Katharina plötzlich stehen blieb und wie sie lachte. Dann schlug sie in gespielter Entrüstung nach Paul, was auf Clemens sehr vertraut wirkte. Er spürte, wie Eifersucht in ihm aufstieg.
Während ihrer gemeinsamen Flucht durchs Hessenland war sich Clemens seiner Gefühle für Katharina mehr und mehr bewusst geworden. Allerdings hatte er beschlossen, ihr seine Liebe erst zu gestehen, nachdem sie ein neues Zuhause gefunden hatten. Nun waren sie auf dem Gestüt sesshaft geworden, und Clemens wollte ihr seine Gefühle offenbaren. Bereits seit Tagen hielt er Selbstgespräche, um seine Liebe in Worte zu packen, doch immer wieder verließ ihn der Mut. Deshalb verschob er seine Liebeserklärung stets auf den nächsten Tag.
»Du bist solch ein Narr!«, schalt er sich nun. »Wenn du dich nicht beeilst, wird ein anderer sie zur Frau nehmen.«
Ohne zu überlegen, stellte er sich den beiden in den Weg. »Hast du nichts zu schaffen?«, blaffte er Paul an. Jener wollte zunächst etwas erwidern, doch dann zwinkerte er Katharina nur lächelnd zu, stellte den Eimer vor sie und verließ die Stallgasse. Katharina, die ihm kichernd hinterherblickte, wandte sich Clemens zu und fragte: »Was hast du denn?«
Clemens verließ erneut der Mut. Unsicherheit ließ ihn schweigen. Kurz blickte er um sich. Dann sagte er: »Ich muss mit dir reden.«
»Dann sag, was du zu sagen hast.«
Als er abermals schwieg, wurde sie ungeduldig. »Ich habe nicht den ganzen Tag Zeit, Clemens!«
»Können wir uns am Nachmittag hier treffen?«
»Du machst es aber spannend. Gut, ich werde hier sein.«
Mit einem unguten Gefühl im Bauch zog Burghard den Schlitten durch den tiefen Schnee Richtung Hoxberg. Immer
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