Der Hexenturm: Roman (German Edition)
Dann bleibst du allein.« Sie richtete sich auf. »Da wäre immer noch Paul«, überlegte sie, verwarf den Gedanken aber wieder. »Nein, den will ich auf gar keinen Fall. Aber warum grübele ich überhaupt so viel? Ich bin weder hässlich noch dumm und habe es mit dem Heiraten nicht eilig«, beruhigte sie sich.
Mit einem tiefen Seufzer erhob sich Katharina von ihrem Lager und strich die Schürze glatt. »Ich werde mich morgen entscheiden.«
Nachdem die Gestalten ihre Kapuzen zurückgeschoben hatten, atmete Burghard erleichtert auf, da er in die Gesichter von Menschen blickte.
»Wer seid ihr und was wollt ihr von mir?«, wagte er erneut zu fragen. Der Älteste der Männer trat auf Burghard zu und sagte: »Fürchte dich nicht, Bruder. Wir wollen dir nichts Böses!«
Bei dem Wort »Bruder« sah Burghard ihn erschrocken an. »Woher wollt ihr wissen …«, stammelte er.
»Nur ein Franziskanermönch kennt den Sonnengesang des heiligen Franz von Assisi. Nur ein Bruder würde in seiner Verzweiflung rufen: ›Gelobt seist du, mein Herr, für alle deine Geschöpfe. ‹«
»Es gibt viele gottesfürchtige Menschen, die den Sonnengesang kennen«, versuchte Burghard zu widersprechen.
»Zuerst dachten wir auch, dass wir uns irren, zumal du nicht wie ein Franziskanermönch aussiehst und Schweine hütest«, erklärte ein anderer Mann, der nicht älter als Burghard war. Lächelnd fügte der Älteste der Männer an: »Aber dann hast du uns in dem Augenblick überzeugt, als du den Text aus Franz von Assisis Muttersprache, dem Umbrese, ins Deutsche übersetzt hast. Das kann nur ein Franziskanermönch.«
Burghard blickte zu Boden.
»Ihr seid keine Franziskanermönche, das zeigen mir eure schwarzen Kutten. Was wollt ihr von mir? Warum seid ihr hier und wer seid ihr?«
»Es ist verständlich, dass du viele Fragen hast, und wir werden sie dir beantworten. Komm mit uns!«
Obwohl die Männer freundlich waren, zögerte Burghard. Dann aber zog er den Schlitten mit den Säcken ein Stück in den Wald hinein, damit ihn niemand sehen konnte, und ließ ihn zurück. Unsicher folgte er den Männern in den dunklen Kutten. Seine Neugier war stärker als seine Angst.
Die Männer führten Burghard zu einer kleinen Hütte, die versteckt zwischen einigen Tannen stand. Durchgefroren betraten sie den Raum, in dem ein wärmendes Feuer brannte. Erstaunt blickte Burghard sich um. Überall lagen Seiten aus Pergament verstreut herum – manche beschriftet, manche mit Zeichnungen versehen, manche noch unbeschrieben. Sie lagen gestapelt oder einzeln auf dem einfachen Tisch in der Mitte des Raums, auf dem Boden und auf den Hockern. Selbst an einer quer durch die Hütte gespannten Leine hingen zahlreiche beschriebene Buchseiten. Burghard vermutete, dass sie zum Trocknen aufgehängt worden waren. Gerne hätte er sich die Schriftstücke genauer betrachtet. Doch seine Aufmerksamkeit wurde auf einen Mann gelenkt, der sie erwartet zu haben schien, denn er hatte Wasser erhitzt und für jeden ein Kräutergetränk aufgebrüht. Dankend umschloss Burghard mit seinen klammen Fingern den heißen Becher und schlürfte den Sud. Was hatte das alles zu bedeuten? Fragend blickte er auf. Jeder im Raum sah ihn an, und keiner der Männer schien ihm feindlich gesinnt. Im Gegenteil, in ihren Gesichtern lag Güte und Freundlichkeit.
»Erzähl uns, warum du dich als Schweinehirte ausgibst, obwohl du ein Mönch bist«, fragte der Älteste, doch Burghard schüttelte den Kopf. »Ich bin euch gefolgt, damit ihr mir meine Fragen beantwortet.«
Lächelnd nickte der Mann. »Ja, das ist wahr. Frag, was du wissen willst.«
»Wer seid ihr?«
»Wir sind Jesuitenmönche und kommen aus Trier. Mein Name ist Ignatius.«
»Trier?«
»Es ist die älteste Stadt im Reich und wurde von den Heiden erbaut. Trier liegt einige Tagesmärsche von hier in nördlicher Richtung.«
»Was macht ihr hier in Wellingen?«
Statt zu antworten, drehte der Jesuit seinen Becher zwischen seinen Händen und fragte leise: »Hast du schon mal von den Gegnern der Hexenverfolgungen gehört?«
Burghard spürte, wie er blass wurde. Seine Hände zitterten, so dass er seinen Becher nicht länger in Händen halten konnte und ihn auf dem Tisch zwischen einigen Blättern abstellen musste.
»Warum fragst du mich das?«, wollte Burghard wissen.
»Bevor wir dir weitere Frage beantworten können, müssen wir deine Meinung kennen.«
»Über was?«
»Über Hexenverfolgungen«, antwortete der Mönch
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