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Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Der Hexenturm: Roman (German Edition)

Titel: Der Hexenturm: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deana Zinßmeister
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geduldig.
    Burghard fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. »Was geschieht, wenn ich sie verdamme, und was, wenn ich sie gutheiße?«
    »Solltest du sie gutheißen, wird dich einer unserer Brüder zurück zu deinem Schlitten führen.«
    »Aber wie wollt ihr prüfen, ob ich die Wahrheit sage?«
    »Wir kennen deine Meinung bereits seit unserem ersten Zusammentreffen«, sagte der Mann und lächelte dabei.
    »Wie kann das sein?«
    »Nenne es Eingebung, nenne es Gespür, nenne es Erleuchtung oder Menschenkenntnis. Wir wissen, wie du denkst.«
    Burghard sah jedem einzelnen Bruder ins Gesicht, und er konnte auch jetzt nichts Böses in ihren Blicken erkennen. Dann atmete er tief durch und erzählte seine Geschichte. Von seinem Lehrmeister Servatius, der ihn wegen ein paar Geldstücke umbringen wollte, und von Barnabas, dem Magier, der Hexen erkennen konnte. Er erwähnte die zahlreichen Hexenprozesse, Folterungen und Verurteilungen, denen er beiwohnen musste. Vor allem aber berichtete er von seinem Zusammentreffen mit dem Magister Johannes Behrhoff in Worbis auf dem Eichsfeld. »Nach der Tortur an Greta Ackermann suchte ich ein Gotteshaus auf, um dort für ihre verirrte Seele zu beten. In der Kirche traf ich den Magister, der mich zu sich nach Hause einlud, um mich vom Irrtum der Folter zu überzeugen. Behrhoff berichtete von dem Theologen Adam Tanner, der die Überzeugung vertritt, dass Geständnisse unter der Folter keine Rechtfertigung für eine Verurteilung sein dürfen. Ich hörte von dem Hofarzt aus Lüttich, Johannes Weyer, der sagt, dass Gott weder richten noch Rache üben, sondern uns vielmehr erlösen wolle. Weyer sagt sogar, dass Frauen, die sich selbst der Hexerei bezichtigen, krank sind und Hilfe benötigen. Ein anderer Gelehrter mit Namen Johannes Friedrich Spee hat erkannt, dass manche Menschen andere als Hexen bezeichnen, weil sie Schuldige brauchen, die sie für jedweden Schaden verantwortlich machen können.«
    Burghard stockte und blickte dem ältesten Jesuiten in die Augen. »Dass diese Gegner der Hexenverfolgung die Wahrheit sprechen, habe ich noch am selben Abend erfahren. Ich las ein Schriftstück, in dem von einem elfjährigen Mädchen berichtet wurde. Sie hieß Thea Hofmann und hatte sich selbst der Hexerei bezichtigt. Obwohl das Gericht ihr Geständnis abtat und die Richter sie verschonen wollten, blieb das Kind bei seiner Aussage. Hätte das Mädchen schlicht gesagt ›Ich bereue‹, wäre es für einige Jahre in die Obhut eines Klosters überstellt worden. So aber sah das Gericht keine andere Möglichkeit, als das Mädchen zum Tode zu verurteilen. Und da man ihr Geständnis geistiger Verwirrung zuschrieb, verurteilte das Gericht Thea Hofmann zum Ausbluten im warmen Bade.«
    »Sectio venae!«, flüsterte einer der Jesuiten.
    Burghard nickte. »Das überzeugte mich, dass die Verfolgungsgegner im Recht sind. Wenn ein Mensch sich selbst der Hexerei bezichtigt, dann muss man ihm helfen und nicht töten.«
    »Johannes Friedrich Spee, von dem du eben gesprochen hast, ist Jesuit wie wir«, erklärte Ignatius stolz. Überrascht blickte Burghard auf.
    »Hast du auch von Cornelius Loos gehört?«
    Burghard verneinte.
    »Cornelius Loos wurde als Professor der Theologie in Trier Zeuge zahlreicher Hexenprozesse. Er erkannte schnell, dass diese nicht im Sinne Gottes sein konnten, und lehnte sich in Briefen dagegen auf. Unter anderem verfasste er eine Schrift gegen den Trierer Weihbischof, unter dessen Einfluss die schlimmsten Hexenverfolgungen in Trier stattgefunden haben. Loos nannte sein Werk: › De vera et falsa magia‹, die wahre und falsche Zauberei. Aber das Manuskript wurde sogleich beschlagnahmt und gilt seither als verloren.«
    Fragend blickte Burghard den Mönch an. Dieser schaute zu seinen Brüdern, die ihm erneut zunickten. Daraufhin ging er in eine Ecke des Raums, wo er unter einem Stapel Blätter ein Buch hervorzog. Vorsichtig übergab er es Burghard und flüsterte: »Das ist eine Abschrift von › De vera et falsa magia‹. Das Original liegt gut versteckt in unserem Kloster in Trier.«
    Burghards Augen weiteten sich ungläubig. Er wagte es kaum, das Manuskript zu berühren. Mit glänzenden Augen betrachtete er das Werk des großen Theologen.
    Ignatius erklärte weiter: »Wegen dieses Buches und anderer Schriften ließ der päpstliche Vertreter Cornelius Loos inhaftieren. Bruder Cornelius musste furchtbare Angst vor einer Verurteilung gehabt haben und leugnete so aus Selbstschutz seine Thesen.

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