Der Hexer - GK575 - Die Hexe von Salem
– für die Behörden – und eine Unzahl von Papieren und Schriftstücken beibringen, ehe du offiziell dein Erbe antreten kannst. Mach dir da keine falsche Hoffnungen; es wird mindestens ein Jahr dauern, bis es soweit ist, wahrscheinlich länger. Obwohl ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um die Sache zu beschleunigen. Aber Howard und ich werden dir solange finanziell unter die Arme greifen.«
»Darum geht es nicht, Mister Gray«, sagte ich.
Gray nickte. »Ich weiß. Trotzdem werden wir es tun. Aber ich bin nicht deswegen hier. Du wirst in den nächsten Tagen in meine Kanzlei kommen und eine Unzahl Papiere unterschreiben, die ich vorbereiten lasse, und alles andere erledige ich für dich. Der Behördenkram ist ganz schön langweilig. Aber für Howard und mich besteht nicht der geringste Zweifel an deiner Identität.« Er tauschte einen raschen Blick mit Howard, der bestätigend nickte und sich schon wieder einen seiner stinkenden schwarzen Zigarillos ansteckte.
»Deshalb«, fuhr Gray nach einer sekundenlangen Pause fort, »bin ich auch hier. Um mich selbst zu überzeugen, daß du Robert Craven, Roderick Andaras Sohn, bist. Und nachdem ich dies getan habe, kann ich dir das hier überreichen.« Er griff in die Brusttasche seines Fracks, zog einen schmalen, mit rotem Siegelwachs verschlossenen Umschlag hervor und reichte ihn mir mit einer fast feierlichen Geste über den Tisch.
Verwirrt blickte ich ihn an, drehte ihn einen Moment hilflos in den Händen und sah wieder auf. »Was ist das?«
»Dein Erbe«, sagte Howard an Grays Stelle. Seine Stimme klang plötzlich sehr ernst. »Dein Vater bat mich und Dr. Gray vor vielen Jahren, dich zu suchen und dir diesen Brief zu übergeben, falls ihm etwas zustoßen sollte.« Er atmete hörbar ein, stand plötzlich auf und tauschte einen zweiten Blick mit Gray. Auch der Anwalt erhob sich.
»Es ist das beste, wenn wir dich allein lassen, damit du ihn in Ruhe lesen kannst«, sagte er. »Wir warten draußen. Ruf uns, wenn du uns brauchst oder eine Frage hast.« Bevor ich Gelegenheit hatte zu widersprechen, wandten sie sich beide um und gingen mit schnellen Schritten aus dem Raum.
Verstört starrte ich die geschlossene Tür hinter ihnen eine endlose Sekunde lang an, ehe ich den Blick wieder auf den schmalen weißen Briefumschlag in meinen Händen senkte. Es war ein ganz normaler, vollkommen unauffälliger Brief, ohne Absender-oder Empfängerangabe, nur mit ein wenig rotem Siegelwachs verschlossen. Meine Finger zitterten, als ich den Umschlag vor mir auf den Schreibtisch legte und das Siegel erbrach.
Der Umschlag enthielt nur ein einziges Blatt, das eng mit Andaras kleiner, verschnörkelter Handschrift beschrieben war. Ich zögerte noch einen winzigen Moment, dann nahm ich das Blatt vollends heraus, trat damit ans Fenster, um die winzige Schrift besser entziffern zu können.
›Robert‹, las ich. ›Wenn du diesen Brief in Händen hältst und liest, dann bin ich, dein Vater, tot. Ich weiß nicht, ob ich jemals vorher Gelegenheit haben werde, dich persönlich kennenzulernen und dir zu erzählen, wie alles gekommen ist, und ich weiß nicht, ob du mir verzeihen kannst, was ich dir angetan habe.‹
Meine Verwirrung wuchs. ›Mir angetan?‹
›Ich habe meine beiden engsten Vertrauten gebeten, dir diesen Brief auszuhändigen, falls ganz bestimmte Umstände eintreten sollten‹, las ich weiter. ›Ich bete zu Gott, daß dies niemals der Fall sein wird, aber die Tatsache, daß du meine Worte jetzt lesen kannst, beweist, daß das eingetreten ist, was ich seit deiner Geburt befürchtet habe. Du wirst vieles von dem, was dir Howard oder Dr. Gray erzählen mögen, nicht verstehen und nicht glauben, aber es ist die Wahrheit, und der einzige Grund, aus dem ich dir diese Zeilen schreibe, ist, dich zu warnen. Ich habe dich verleugnet und zu fremden Menschen in Pflege gegeben, um dich zu beschützen, Robert, denn ich habe mächtige Feinde, die sich nicht mit meinem Tod allein zufriedengeben werden, sondern auch dich zu vernichten trachten.
Ich will dir jetzt mit wenigen Worten sagen, was dir Howard und Dr. Gray noch genauer erklären mögen, sollten sie jemals gezwungen werden, dir diesen Brief auszuhändigen.
Ich bin kein Mensch wie die, unter denen du aufgewachsen bist, Robert. Ich bin ein Magier. Ein Hexer. Und du bist mein Sohn. Die Kräfte, über die ich verfüge, schlummern auch in dir, und wenn du den Gefahren, die dich bedrohen, entgehen willst, dann mußt du sie wecken
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