Der Hexer - GK587 - Bücher, die der Satan schrieb
sondern eher wie eine zähe, sirupartige Flüssigkeit, die unter einer inneren Spannung kochte und brodelte. Die Gestalten der Schattenwesen waren nicht mehr zu erkennen, und auch von Gordon war keine Spur mehr zu sehen. Er hatte aufgehört zu schreien, aber ich glaubte, das verzweifelte Gellen noch immer in meinen Ohren zu hören.
»Du kannst ihm nicht helfen, Robert«, sagte Howard noch einmal. »Niemand kann das.« Er schüttelte den Kopf, sah mich ernst an und deutete auf meine Hände.
Sie waren rot. Die klebrige Wärme, die ich gefühlt hatte, war Blut gewesen. Für einen Moment glaubte ich noch einmal das schreckliche Bild vor mir zu sehen, das sich mir im Inneren der Nebelwolke geboten hatte – Schatten, die aus allen Richtungen herbeihuschten und sich lautlos über den verzweifelt um sich schlagenden Körper eines Menschen beugten, seine Schreie, die spitzer und spitzer wurden und nicht enden wollten ...
Ich stöhnte leise, schloß für einen Moment die Augen und kämpfte die Übelkeit zurück, die in meiner Kehle empor kroch.
Als ich die Lider wieder öffnete, war der Nebel verschwunden. So rasch, wie die unheimlichen Schwaden gekommen waren, hatten sie sich wieder ins Nichts zurückgezogen, und mit ihnen waren die Schattenwesen gegangen, wie ein Spuk, der sich unter den ersten Strahlen der Sonne auflöst. Und mit ihm war Gordon verschwunden. So spurlos wie ein Schatten.
** *
»Dort.« Sean deutete mit einer abgehackt wirkenden Geste auf ein graues, dreigeschossiges Haus ganz am Ende der Straße. Wir waren nicht lange unterwegs gewesen – zehn, vielleicht fünfzehn Blocks vom Hafen entfernt, noch nicht in der eigentlichen Innenstadt, aber auch nicht mehr im eigentlichen Hafengebiet, sondern in der schmalen, von kleinen Geschäften mit blinden Schaufensterscheiben und bescheidenen Häusern mit zahllosen winzigen Wohnungen beherrschten Gegend, in der die Hafen-und Fabrikarbeiter von Durness wohnten und die Fremde wohl nur selten wirklich bewußt zur Kenntnis nahmen. Die Gegend war nicht so schlimm wie die, in die er uns gestern abend geführt hatte; trotzdem war es kein Viertel, in das ich freiwillig allein und nach Dunkelwerden gegangen wäre.
Und es war still und scheinbar menschenleer wie die, in der wir gestern nacht gewesen waren. Hier und da brannte Licht hinter den geschlossenen Läden der Wohnungen, aber nirgends war auch nur ein einziger Mensch zu sehen. Der Nebel war uns nachgekrochen und hing wie graue flockige Schleier zwischen den Häusern, aber es war jetzt ein ganz normaler, wenn auch unangenehm kalter Nebel. Trotzdem ließ mich der Anblick frösteln.
»Warum sind es immer die Armen, die es als erste trifft?« dachte ich.
»Weil es einen Grund dafür gibt, Robert«, antwortete Howard. Ich fuhr zusammen und sah ihn beinahe verlegen an. Mir wurde erst jetzt klar, daß ich den Gedanken laut ausgesprochen hatte.
»Einen Grund?«
Howard nickte. »Sie sind selten glücklich, Robert. Und das Böse sucht sich seine Opfer immer da, wo das Unglück bereits Einzug gehalten hat.«
Die Worte hörten sich seltsam theatralisch an, aber Howard brachte mich mit einer entschiedenen Geste zum Schweigen, als ich eine weitere Frage stellen wollte, und wandte sich wieder an Sean. »In diesem Haus?«
»Ja. Ich bin nicht sicher, aber ich glaube, sie wohnen ganz oben, in einer ausgebauten Dachkammer. Wir werden sehen.« Er wollte losgehen, aber Howard hielt ihn am Arm zurück.
»Es ist besser, wenn Sie nicht mitkommen, Sean«, sagte er ernst. »Warten Sie hier auf uns. Wir finden die Wohnung schon.«
»Ich habe keine Angst«, sagte Sean, aber wieder ließ ihn Howard nicht zu Wort kommen.
»Das glaube ich Ihnen, Sean«, sagte er ernst. »Aber ich erlaube trotzdem nicht, daß sie mitkommen. Sie haben gesehen, was mit Gordon passiert ist.«
»Sie denken doch nicht, daß das auf Tremayns Konto geht? Er und Gordon sind seit fünfzehn Jahren befreundet.«
Howard wies mit einer Kopfbewegung über die Straße. »Wenn es sich bei dem Buch, das da oben liegt, wirklich um das handelt, was ich befürchte, Sean, dann ist dieser Mann nicht mehr Tremayn«, sagte er ernst. »Sie bleiben hier, Sean. Außerdem brauchen wir jemanden, der uns den Rücken deckt.« Er sah sich mit übertriebener Gestik nach beiden Seiten um. »Diese Stille gefällt mir nicht. Wenn Sie uns schon helfen wollen, dann bleiben Sie hier und halten Sie die Augen auf. Und wenn Sie irgend etwas Auffälliges bemerken, dann warnen Sie uns.«
Sean
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