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Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht

Titel: Der Hexer - NR04 - Bote vom Ende der Nacht
Autoren: Verschiedene
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Kinn und dunklen, übermüdeten Augen blickte zu mir herein. In der Rechten hielt er eine Lampe, die er direkt auf mein Gesicht richtete.
    »Was ist passiert?« fragte er. »Wer hat geschrien wie am Spieß?«
    »Geschrien?« Ich mußte nicht einmal schauspielern, um wirklich verwirrt zu klingen. Mein Herz jagte. Ich hatte Mühe, mich auf die Worte des Polizeibeamten zu konzentrieren.
    »Verdammt nochmal, ja!« blaffte der Mann. »Ich hab’s doch deutlich gehört!«
    »Ich... ich weiß nicht«, log ich. »Ich habe geschlafen. Vielleicht... jemand in einer der anderen Zellen?«
    »Da ist keiner«, antwortete der Wächter, schüttelte den Kopf und zog die Tür wieder halb zu. Dann sah er mich scharf an. »Wenn Sie irgendwelche blöden Scherze versuchen, mein Lieber«, sagte er, »dann denken Sie daran, daß ich auch Humor habe. Ich weiß nur nicht, ob er Ihnen gefallen wird.«
    »Ich... habe nichts getan«, antwortete ich, so überzeugend, wie ich überhaupt konnte. »Vielleicht...«, fügte ich hinzu, »habe ich im Schlaf geschrien.«
    »Im Schlaf, wie?« Er überlegte einen Moment. Plötzlich war der Ausdruck auf seinen Zügen viel freundlicher.
    »Zum ersten Mal hier?«
    Ich nickte.
    »Dann kann ich Sie fast verstehen«, sagte er. »Ist nicht besonders angenehm, hier eingesperrt zu sein. Aber die erste Nacht ist ein bißchen früh, um schon einen Gefängniskoller zu kriegen. Wer bearbeitet Ihren Fall?«
    »Tornhill«, antwortete ich.
    »Au weia«, murmelte der Beamte. »Na dann viel Spaß. Dem ist noch keiner ausgekommen. Wenn Sie einen Rat wollen – sagen Sie ihm die Wahrheit, das erspart Ihnen eine Menge Ärger.«
    »Und wenn ich unschuldig bin?«
    »Dann sagen Sie’s ihm«, sagte er. »Wenn’s stimmt, dann wird er Ihnen auch glauben.« Er lächelte noch einmal, wandte sich endgültig um und zog die Tür hinter sich ins Schloß. Die Schlüssel klirrten, dann hörte ich, wie sich seine Schritte entfernten.
    Mit einem lautlosen Seufzen ließ ich mich wieder zurück auf die Pritsche sinken. Der Mann hätte keine zehn Sekunden länger in meiner Zelle bleiben dürfen. Meine Selbstbeherrschung war zu Ende. Zum Schluß war sein Gesicht zerflossen, und durch seine Züge hatte mich die bizarre Dämonenfratze aus meinem Traum angestarrt, eine verzerrte Verhöhnung von Priscyllas lieblichen Zügen...
    Aber war es wirklich nur ein Traum gewesen? Alles schien so unglaublich echt zu sein, von einer Realität, die die Grenzen des Erträglichen fast überstieg.
    Hatte ich von der Welt der GROSSEN ALTEN wirklich nur geträumt – oder war ich dagewesen?
    Ich versuchte die Vorstellung abzuschütteln, aber das machte es eher noch schlimmer. Wenn ich mich doch nur erinnern könnte!
    Die Vorstellung, daß sich Priscylla wirklich in diese... diese Bestie verwandelt haben könnte, war...
    Irgendwo neben mir knirschte etwas.
    Ich erstarrte. Für einen Moment vermochte ich nicht einmal zu denken.
    Das Geräusch wurde lauter, dunkler... als bewegte sich eine Tür in uralten, rostigen Scharnieren...
    Langsam, zitternd vor Entsetzen, hob ich den Kopf und blickte nach links.
    Auf der gegenüberliegenden Wand der Zelle war ein Umriß entstanden. Ein schmales, vielleicht anderthalb Meter hohes Rechteck, gebildet von dünnen, grün flackernden Linien – der Umriß einer Tür!
    Und diese Tür schwang langsam, ganz, ganz langsam, nach außen...
    Dahinter wogte die Unendlichkeit.
    Eine Welt, so fremd, daß sie sich der Vorstellungskraft des Menschen entzog. Auch ich kann sie in diesen Zeilen nicht beschreiben. Man kann Äußerlichkeiten benennen, Dinge, die man sieht und anfassen kann, nicht aber den Schrecken, den diese Welt atmete wie finsteren Pestgestank, eine Welt, in der das Leben keinen Platz hatte, in der Tod und Furcht die Ordnung der Dinge aufrecht erhielten und deren Pulsschlag vom Grauen bestimmt wurde.
    Eine Ebene, schwarz wie die Hölle und sanft gewellt wie der finstere Boden eines blasphemischen Ozeans, besudelt von schrecklichen, unaussprechlichen Dingen, die seine pockige Oberfläche durchbrachen.
    Ein Himmel, den niemals das Licht einer Sonne beschienen hatte, bar jeden Sternes, beherrscht vom grinsenden Knochengesicht eines bleichen Todesmondes.
    Und – weit, weit entfernt, aber näher kommend – eine Gestalt.
    Weiß. Ein weißes Kleid, besudelt von Blut. Dunkles Haar, das wie ein Medusenhaupt wogte und zitterte. Krallen so tödlich und scharf wie Dolche. Eine verzerrte Dämonenfratze, die bekannten Züge darin zu einer
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