Der Hexer - NR11 - Engel des Bösen
vorkam. Das Licht war hier ein wenig intensiver, gleichzeitig auch von einem grünlichen, unheimlichen Schein durchdrungen. Dann sah er die toten Ratten auf dem Boden.
Es war die Höhle, in der Cohen die Tiere vergiftet hatte.
Verblüfft blieb er stehen.
Auf dem Sims, über den Cohen und er hier herabgestiegen waren, standen an die zwei Dutzend Männer. Einige von ihnen trugen die spitzen, haarigen Rattengesichter ihrer Bewacher, die anderen schienen auf den ersten Blick normal, wenngleich der grünliche Schimmer der Luft ihren Gesichtern auch etwas Gespenstisches verlieh. Aber ihre Augen waren leer.
Einer der Rattenmänner versetzte Cohen einen Stoß, der ihn nach vorn und auf die Knie fallen ließ; gleichzeitig ergriff eine haarige, unmenschlich starke Klaue Howards Handgelenk und drehte ihm den Arm auf den Rücken.
Die Albinoratte gab einen schrillen, irgendwie boshaft klingenden Laut von sich, und einer der Wächter übersetzte: »Sie sind gekommen und haben den Tod in mein Reich gebracht, Mensch Cohen. Ich könnte Sie vernichten, aber das wäre nicht genug. Sie hassen mich, weil ich es war, der Sie verletzte und Ihr Leben vernichtete. Sie wollen meinen Tod, und das kann ich verstehen. Aber mein Tod allein war Ihnen nicht genug. Sie wollten den Untergang meines Volkes, Mensch. Sie haben den Tod zu mir gebracht, und deshalb werde ich Sie zurückschicken zu den Menschen, und Sie werden den Tod zu ihnen bringen.«
Damit beugte sich der Rattenmann hinab, griff nach Cohens Jacke und riß das schwarze Lederetui mitsamt dem Jackenfutteral heraus. Seine Klauen, die so ungeschickt aussahen, öffneten den diffizilen Verschluß und nahmen eine der kleinen Glasspritzen hervor. Auf dem Boden des fingerdicken Kolbens glitzerten noch wenige Tropfen der tödlichen Flüssigkeit, mit der sie gefüllt gewesen war.
In Cohens Augen flammte das Entsetzen auf, als er begriff, was die Worte der Ratte zu bedeuten hatten. Mit einem verzweifelten Schrei sprang er auf, schlug mit der Faust nach dem Rattenmann und brach erneut in die Knie, als der Unheimliche seinem Hieb auswich und ihm einen Stoß versetzte. »Nein!« wimmerte Cohen. »Nicht! Nicht das! Töte mich! Mach mit mir, was du willst, aber nicht das!«
Howard starrte abwechselnd ungläubig in Cohens schreckverzerrtes Gesicht und auf die unscheinbare Spritze in der Hand des Rattenmannes. Ein furchtbarer Verdacht begann sich in ihm breit zu machen.
»Sie... Sie haben mich belogen«, flüsterte er. »Das Serum ist... ist nicht harmlos.«
»Nein«, sagte der Rattenmann an Cohens Stelle. »Es gibt dieses Mittel nicht, von dem er Ihnen berichtete, Lovecraft. Nur das hier.« Er hob die Spritze und drehte sie im Licht, so daß die wenigen Tropfen auf ihrem Grund wie kleine farblose Diamanten aufblitzten.
»Das, was ihr Menschen Tollwut nennt.«
Und damit beugte er sich zu Cohen herab, zwang ihn herum und stieß ihm die dünne Nadel der Injektionsspritze in den Oberarm. Cohen schrie auf und warf sich nach hinten, aber gegen die unmenschlichen Kräfte seines Gegners hatte er keine Chance. Beinahe gemächlich beendete der Rattenmann sein furchtbares Werk, schleuderte die Spritze zu Boden und ließ Cohen los.
Dann drehte er sich herum, wählte eine zweite Spritze aus und kam mit wiegenden Schritten auf Howard zu.
Howard bäumte sich auf und begann sich mit verzweifelter Kraft gegen den Griff zu stemmen, der ihn hielt. Genausogut hätte er versuchen können, die Höhle mit bloßen Händen einzureißen. Der Rattenmann kam näher, packte seinen linken, freien Arm, verdrehte ihn und stieß ihm die Nadel tief ins Fleisch.
Es tat nicht einmal sehr weh.
* * *
»Warte!« Shadow hob die Hand, bedeutete mir mit einer Geste, zurückzubleiben und verschwand mit raschen, lautlosen Schritten in der Dunkelheit. Erschöpft legte ich Lady Audleys reglosen Körper zu Boden, ließ mich neben ihr niedersinken und lehnte Rücken und Kopf gegen die rauhe Flanke eines Felsgrates. Müdigkeit und Schwäche schlugen wie eine Woge über mir zusammen, so heftig, daß ich für Sekunden wirklich in Gefahr war, einzuschlafen.
Aber er mochte zu einem Schlaf werden, aus dem ich nie wieder erwachen würde, und dieser Gedanke brachte mich in die Wirklichkeit zurück. Ich schüttelte die unsichtbaren Spinnweben ab, die meinen Verstand einzuspinnen begannen, hob mühsam den Kopf und sah mich um.
Viel gab es allerdings nicht zu entdecken. Wir hatten die Höhle verlassen, und Shadow hatte mich durch ein wahres
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