Der Hexer - NR20 - Unter dem Vulkan
waren Gegner, die weder Tod noch Schmerzen kannten.
Trotzdem – das sah Howard, nachdem er seinen ersten Schrecken überwunden hatte – war kaum einer von Harmfelds oder Nemos Männern ernsthaft verletzt, sah man von einigen Beulen und Kratzern ab.
Die Untoten hatten ihre Gefangenen auf dem Achterdeck des Kriegsschiffes zusammengetrieben. Howard gewahrte Harmfeld selbst unter seinen Männern, und nach kurzem Suchen fand er auch Nemo, wie alle anderen mit auf dem Rücken zusammengebundenen Händen, aber unverletzt. Der Blick, den der Kapitän der NAUTILUS ihm zuwarf, war von einem stummen Vorwurf erfüllt
»Sie sehen, bisher ist niemandem ernsthaft geschadet worden«, sagte Jennifer. »Und wenn Sie vernünftig sind, bleibt das auch so.«
Howard starrte sie an. »Was soll das heißen?«
»Das wissen Sie genau«, antwortete Jennifer kalt. »Aber ich kann es gerne noch einmal in aller Deutlichkeit sagen, wenn Ihnen danach ist: Das Leben dieser Männer liegt in Ihrer Hand, Lovecraft. Ganz allein.« Sie lächelte, drehte sich um und hob den Arm. Oben auf dem Deck der ZUIDERMAAR lösten sich vier ihrer untoten Sklaven aus ihrer Erstarrung, stiegen die kurze Treppe zum Achterdeck hinauf und zerrten einen Matrosen aus der Gruppe heraus. Der Mann begann zu schreien und sich verzweifelt zu winden, aber die vier Schreckensgestalten waren viel zu stark für ihn. Ohne seine Gegenwehr auch nur zu beachten, zerrten sie ihn zur Reling, hoben ihn hoch und drückten seinen Oberkörper über das hölzerne Gelände.
»Entscheiden Sie sich, Lovecraft«, sagte Jennifer kalt. »Sie werden ihn fallen lassen und dafür sorgen, daß er nicht wieder auftaucht.«
»Das ist Erpressung«, sagte Howard.
Jennifer nickte. »Eine ganz besonders gemeine Art von Erpressung sogar«, sagte sie. »Aber ich habe keine Wahl. Ich werde alle fünf Minuten einen Mann hinrichten lassen, bis Sie zustimmen.«
»Hinrichten?« Howard kreischte fast. »Kaltblütig ermorden, meinen Sie.«
Jennifer zuckte gleichmütig mit den Achseln. »Nennen Sie es, wie Sie wollen«, sagte sie. Sie seufzte, sah Howard durchdringend an und fuhr fort: »Warum machen Sie es sich und mir so schwer? Ich weiß, daß Sie das Leben Unschuldiger nicht opfern würden, und Sie wissen, daß ich entschlossen bin, meine Drohung wahrzumachen. Muß dieser Mann erst ertrinken, bis Sie aufgeben?«
Howard blickte zur ZUIDERMAAR auf. Die vier Untoten hielten den Mann noch immer wie einen leblosen Sack über der Reling. Er hatte aufgehört, um sich zu schlagen und zu schreien, und blickte mit schreckgeweiteten Augen in die Tiefe.
Howard nickte, so knapp, daß man die Bewegung kaum sah. »Sie haben gewonnen, Sie verdammtes Ungeheuer«, murmelte er. »Ich werde tun, was Sie verlangen. Soweit ich es kann.«
»Sie können«, sagte Jennifer. »Sie haben es einmal bewiesen, in meiner Gegenwart sogar.«
»Das war etwas völlig anderes«, sagte Howard. »Es waren zwei Jahre. Und selbst das war schon fast zuviel. Sie verlangen das –«
»Sie können es«, unterbrach ihn Jennifer kalt. »Daß Ihre Kraft nicht ausreicht, spielt keine Rolle. Ich werde Ihnen helfen. Sehen Sie es einfach so, daß Sie den Schlüssel haben, und ich die Kraft, die Tür zu öffnen.«
»Und wie weiß ich, daß Sie Wort halten?« fragte Howard leise.
»Gar nicht«, antwortete Jennifer. »Aber das Leben dieser Männer interessiert mich nicht. In keiner Beziehung. Wollte ich sie töten lassen, hätte ich es bereits getan. Ich brauche ihre Schiffe, die NAUTILUS und die ZUIDERMAAR, nicht sie. Sie können von Bord gehen, bevor wir auslaufen.«
»Wie großzügig«, sagte Howard böse. »Damit sie in weniger als zwei Tagen verbrennen, wenn der Vulkan ausbricht.«
Jennifer deutete mit einer zornigen Kopfbewegung auf die VAN HELSING. »Sie haben ein Schiff. Es ist zwar nicht so komfortabel wie die NAUTILUS, aber schnell genug, einen sicheren Hafen zu erreichen, ehe der Krakatau explodiert.« Sie sagte ganz deutlich explodiert, nicht ausbricht, wie Howard auffiel. Aber er schwieg auch dazu.
* * *
Der Raum war klein und würfelförmig. Die einzige Öffnung bestand aus einem gezackten Loch, drei Yards hoch unter der Decke und unerreichbar. Der Fels war so heiß, daß es mir unmöglich war, still zu stehen oder mich gar zu setzen. Selbst das Atmen bereitete mir Schmerzen. Der Boden unter meinen Füßen zitterte ununterbrochen, und in unregelmäßigen Abständen drang ein tiefes, irgendwie schmerzhaft klingendes Stöhnen aus der
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