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Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Titel: Der Hexer - NR27 - Todesvisionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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hatten keine Chance.
    Nach wenigen Augenblicken war der Spuk vorüber.
    Taumelnd kam ich auf die Füße und sah mich verwirrt nach allen Seiten um. Doch erst, als die blendende, magische Sonne erlosch, erkannte ich, wer uns vor dem sicheren Tod bewahrt hatte.
    Sitting Bull nahm die Gegenstände, die er vor sich ausgebreitet hatte, wieder auf und erhob sich mühsam. Seine Bewegungen wirkten wie die eines Greises, als er zu uns herüberkam. Sein Gesicht war um Jahre gealtert.
    »Dem Gott der Sonne allein verdanken wir unsere Rettung«, sagte er nur, wandte sich ab und schlurfte zum Feuer hinüber. Tausend Fragen brannten mir auf der Zunge, doch ich ahnte, daß sich der Häuptling mit dieser Beschwörung vollends verausgabt hatte. Er brauchte Ruhe, um neue Kräfte zu sammeln. So schwieg ich und drehte mich zu den anderen um.
    Es war ein Bild des Schreckens. Die meisten der Indianer lagen in ihrem Blute, Annie war bewußtlos zusammengebrochen, Bills Gesicht blutüberströmt. Allein Lancelot Postlethwaite und Ixmal standen aufrecht, und in ihren Gesichtern spiegelte sich das Grauen der letzten Minuten wider.
    Ich ging zu Buffalo Bill hinüber, und bei jedem Schritt verschwamm das Bild vor meinen Augen. Ich kniete neben ihm nieder und untersuchte ihn flüchtig.
    Eine blutige Schramme zog sich quer über seine Stirn; sonst konnte ich glücklicherweise keine Verletzung entdecken.
    Er erwachte unter meiner Berührung und fuhr mit einem Schrei in die Höhe.
    »Ganz ruhig«, sagte ich und drückte ihn zurück. »Es ist vorbei.«
    »Die Hunde –, krächzte er schreckensbleich und bäumte sich wieder auf.
    »Sind vernichtet«, entgegnete ich sanft und versuchte ihn mit Hilfe meiner Magie zu beruhigen. Es gelang mir nicht.
    Die Quelle meiner Kraft war versiegt. Ich fühlte mich ausgebrannt, hatte die Macht in einer einzigen Sekunde verpufft wie entzündetes Magnesiumpulver. Es würde Tage dauern, bis ich wieder im Vollbesitz meiner Kräfte war. »Du hast großes Glück gehabt«, fuhr ich fort. »Nur eine Fleischwunde auf der Stirn. Nichts Ernstes.«
    Er starrte auf meine Brust und verzog das Gesicht. »Gütiger Himmel, dich hat es ja ganz schön erwischt«, sagte er. »Hast du keine Schmerzen?«
    Erst verstand ich gar nicht, was er meinte, dann senkte ich zögernd den Blick und sah an mir herab. Und fiel zum zweiten Male in Ohnmacht...

    * * *

    Sitting Bulls Sommerlager am Rosebud Creek, 22. Juni 1876
    Der Sommer war heiß in diesem Jahr, und zur Mittagszeit, als die Sonne ihren höchsten Stand am wolkenlosen Himmel erreichte, lag drückende Schwüle über dem Lager. Die großen Spitzzelte gaben den Menschen Schatten, aber die Hitze, die über die weite Ebene kroch und die Luft flirren ließ, konnten sie nicht abhalten.
    Ein staubiger, heißer Wind fegte von Osten heran und bedeckte die Büffelhäute der Tipis mit einem feinen, gelblichen Alkalischleier. In der Ferne glitzerte das blaue Band des Yellowstone River wie eine Verheißung von Kühle und belebender Frische, doch das Bild verzerrte sich in der glühenden Luft und verwandelte den Fluß in eine sich windende, todbringende Natter.
    Das Lager wirkte wie ausgestorben. Nur wenige der Indianer verließen den Schutz ihrer Zelte; hier und da balgten sich ein paar Hunde um einen alten Knochen, Kinder spielten träge zwischen den Pferdegattern, eine alte Frau kam vom Fluß herüber, einen Krug Wasser auf dem Kopf balancierend.
    Doch nicht allein die drückende Hitze lastete über dem Camp. Mit der staubigen Dunstglocke hatte sich noch etwas anderes unsichtbar und allgegenwärtig über die Tipis gelegt. Es schlich sich in die Herzen der Männer und erfüllte sie mit wildem Stolz. Es kroch in die Herzen der Frauen und Kinder und brachte Angst und Schrecken.
    Der Geruch nach Krieg und Kampf und Tod.
    Die Große Schlacht stand dicht bevor. Der alles entscheidende Feldzug gegen die weißen Soldaten, die sich immer weiter in das Land der Ahnen vorwagten.
    Sitting Bull war von den Stammesführern zum obersten Häuptling gewählt worden, und er hatte die Völker der Sioux vereint und hier gesammelt.
    Das Lager erstreckte sich vom Rosebud Creek bis zu den Ufern des gelben Flusses; ein Meer aus Tipis, wie es noch keines Menschen Auge je zuvor erblickt hatte. Etwa fünfzehntausend Indianer waren Sitting Bulls Ruf gefolgt, unter ihnen mehr als viertausend Krieger.
    Und sie alle warteten darauf, daß der große Häuptling das Zeichen zum Angriff gab. Immer wieder blickten die Jungen und

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