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Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Der Hexer - NR27 - Todesvisionen

Titel: Der Hexer - NR27 - Todesvisionen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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Ungeduldigen unter den Kriegern zu Sitting Bulls Zelt hinüber, das am Steilufer des Creek stand, auf einem kleinen Hügel leicht über die anderen Zelte erhoben.
    Aber noch war der Häuptling nicht bereit. Noch war der Zauber nicht vollendet.
    Im Halbdunkel seines großen Tipis herrschte atemlose Stille. Sitting Bull saß vornüber gebeugt auf einer gewebten Decke. Vor sich hatte er den Inhalt seines »Medizinbündels« ausgebreitet – eine Sammlung magischer Talismane, getrockneter Kräuter, Felle und Tierknochen.
    Im Kreis um ihn herum warteten die Stammesführer auf den Beginn der Zeremonie. Sie alle wußten nur zu gut, warum sie Sitting Bull erwählt hatten, die Sioux in den Kampf zu führen. Keiner von ihnen beherrschte die Magie so perfekt wie der alte Häuptling. Niemand sonst wäre in der Lage gewesen, die Falle zu errichten.
    Sitting Bull unterbrach die endlose Litanei, mit der er die Götter gnädig gestimmt hatte, griff nach einem kleinen Stoffbeutel und öffnete ihn mit geschickten Fingern. Ein weißes Pulver quoll aus dem grauen Leinensack. Er füllte seine linke Handmulde damit, sprach ein kurzes Gebet in einer fremden, gutturalen Sprache darüber und winkte nach der Schüssel.
    Crazy Horse, Zweiter unter den Häuptlingen nach Sitting Bull, erhob sich und reichte ihm die mit Wasser gefüllte Schale.
    Ein grauer Dunst wie Nebel wallte auf, als der alte Häuptling das Pulver hineinrieseln ließ. Plötzlich durchzog ein scharfer, stechender Geruch das Zelt, und auf der Wasseroberfläche schienen mit einem Male kleine, zuckende Irrlichter zu tanzen.
    Lange Zeit schwieg Sitting Bull, saß nur da, die Augen geschlossen, und schien zu schlafen.
    Es war tatsächlich so – sein Körper schlief. Sein Geist jedoch hatte sich von der irdischen Hülle getrennt und war hinabgetaucht in das Ebenbild seines Gesichtes, das sich verschwommen auf dem Wasser spiegelte. Und sah...
    Eine graue Zeltplane, nur provisorisch mit Stangen zu einem Dach befestigt. Ein niedriger Tisch darunter, auf dem Karten und Rollen beschriebenen Papiers ausgebreitet lagen. Bärtige Männer in maßgeschneiderten Uniformen, mit blitzenden Orden und blanken, schwarzen Stiefeln. Ein Posten vor dem Zelt, der nun mit einem Ruck Haltung annahm und das Gewehr präsentierte...
    »Rühren«, befahl George Armstrong Custer, blieb einen Moment stehen und musterte das offene Gesicht des Kadetten. Der Junge war höchstens vierzehn Jahre alt, fuhr es ihm durch den Kopf. Zu jung eigentlich für den Heldentod. »Name?«
    Der Junge bemühte sich um noch mehr Haltung und erstarrte zum Ebenbild eines polierten Zinnsoldaten. »Finnewacker, Sir!« brüllte er. »Siebente Kavallerie, C-Kompanie, Sir!«
    Custer grinste. Der Bursche mußte geradewegs aus West Point kommen. Fast wäre ihm das Trommelfell geplatzt. Nun, nach der ersten Schlacht würde er gewiß stiller werden...
    Custer salutierte lässig und betrat das Zelt. Seine Hunde, die ihn wie immer begleitet hatten, ließen sich – sehr zum Leidwesen des Kadetten, dem angesichts der mächtigen Tiere der kalte Schweiß ausbrach – vor dem Eingang nieder und hielten aufmerksam Wache. Die Offiziere nahmen Haltung an, als sie den hochgewachsenen Mann in seiner Uniform aus dem Bürgerkrieg erblickten. Custer trug den blauen Rock aus gutem Grund: Er zeigte die Rangabzeichen eines Major-General; jenes Dienstgrades, den Custer während des Krieges innehatte. Jetzt war er nur noch Lieutenant Colonel, doch seine Uniform garantierte ihm den alten Respekt.
    Colonel Waters, sein Kamerad aus längst vergangenen Militärschultagen, kam auf ihn zu und streckte Custer seine Pranke hin. »Ein großer Tag, George«, dröhnte er mit seiner grollenden Baßstimme, die in seinem umfangreichen Bauch wohl den idealen Resonanzkörper fand. »Wir machen Geschichte – das heißt, wenn du mir noch ein paar von den Rothäuten übrig läßt!« Er lachte, daß die Zeltplane sich ein gutes Stück in die Höhe hob – und verstummte mit einem Schnauben wieder, als er in Custers ernstes Gesicht blickte.
    »Gentlemen, wir sind hier, um über den Verlauf einer Schlacht zu entscheiden, über Sieg oder Niederlage und das Leben unserer Soldaten«, sagte Custer ruhig. »Wenn ich Sie also bitten dürfte...« Er trat an den Tisch heran und rollte eine Karte von Süd-Montana auf. »Ihr Bericht, Captain Newhouse...«
    Für Sekunden verschwamm das Bild vor Sitting Bulls innerem Auge. Ohne in seiner ungeheuren Konzentration nachzulassen, tastete er

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