Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode
tödliche Geschosse mit sich reißend. Es sah aus, als näherte sich eine schwarze, kochende Mauer dem Berg.
Und als sie auf ihn prallte, war es wie ein Weltuntergang.
Selbst oben, in der schwarzen Festung auf dem Gipfel des Berges, konnte man die dumpfe Erschütterung spüren, mit der der Sturm den Fuß des Lavakolosses traf.
Unten war es die Hölle.
Das heranmarschierende Heer verschwand von einer Sekunde auf die andere in einer schwarzen, kochenden Masse, die barmherzig verbarg, was in ihrem Inneren vor sich ging. Die Männer wurden in die Höhe gerissen, wie Spielzeuge, die plötzlich kein Gewicht mehr hatten. Der Sturm packte sie, schleuderte sie durch- und übereinander, riß sie hoch und schmetterte sie gegen den schwarzen Fels. Der Sand, mit der Geschwindigkeit und Wucht dieses Höllensturmes herangetragen, zerfetzte ihre Gewänder und ließ Funken aus den metallenen Teilen ihrer Waffen und Rüstungen stieben. Dann, eine Sekunde später, war der Riß heran.
Der Boden erbebte ein zweites Mal, und plötzlich klaffte die Wüste auseinander. Eine gigantische, von düster-roter Glut erfüllte Wunde tat sich im Boden auf, verschluckte Sand und Felsen und hilflos rudernde Körper. Wie von einer unsichtbaren Macht angezogen, torkelten die Untoten in diesen Riß hinein und stürzten in die Tiefe, einer nach dem anderen, bis auf den letzten Mann. Dann schloß sich das riesige steinerne Maul wieder.
Von Necrons Armee lebender Toter war nichts mehr geblieben, nichts bis auf ein paar Kleiderfetzen hier und da, Stücke von zerbrochenen Waffen und gebleichte Knochen...
Van Velden nahm langsam die Arme herunter, öffnete die Augen und atmete hörbar ein. Er und de la Croix waren unversehrt geblieben, sicher auf zwei winzigen, ruhigen Inseln inmitten des tobenden Weltuntergangs; nicht einmal sein Haar war zerzaust. Aber er fühlte sich ausgelaugt und zum Sterben müde, wie immer, wenn er seine geheimnisvollen Kräfte vollends entfesselt hatte. Die Macht, die ihm zur Verfügung stand, forderte ihren Preis.
Aber es war noch nicht vorbei. Die Wüste war wieder zu einem Stück scheinbar lebloser Erde geworden, der gewaltige Riß, den van Velden der Erde nur Kraft seines Willens aufgezwungen hatte, so spurlos verschwunden, wie er entstanden war – aber der Sturm tobte weiter.
Er hatte sich ein Stück zurückgezogen, eine halbe Meile fort vom Berg und den zwei einsamen Männern, aber er war noch da, wie ein gewaltiges, lauerndes Tier, das Beute geschlagen hatte, aber nicht zufrieden war. Hinter der schwarzen Wand blitzte und funkelte es ununterbrochen, und van Velden spürte selbst über die große Entfernung hinweg einen Hauch glühendheißer Luft.
Mit einem keuchenden Laut fuhr er herum und starrte de la Croix an. »Bruder André!« rief er entsetzt. »Was tust du?«
Aber André de la Croix schien seine Worte gar nicht zu hören.
Er stand da, noch immer mit wie beschwörend erhobenen Armen und das Gesicht vor Anstrengung verzerrt, aber jetzt mit weit geöffneten Augen. Helle, irrsinnig klingende Töne kamen über seine Lippen. In seinen Augen loderte ein Feuer, das van Velden frösteln ließ.
»André!« schrie er. »Hör auf! Es ist vorbei!«
»Nein!« kreischte de la Croix. Seine Stimme hat kaum noch Ähnlichkeit mit dem weichen Bariton, den van Velden kannte. »Nicht vorbei!« kicherte er. »Mehr! Ich will mehr. Ich will sie haben, Nies! Alle!«
Und dann fuhr er herum, schrie noch einmal gellend auf, und deutete mit einer zornigen Geste auf die Burg hoch über ihren Köpfen.
Als van Velden begriff, was die Geste zu bedeuten hatte, war es zu spät. Sein entsetzter Aufschrei ging im Heulen des Sturmes unter, der sich wie ein brüllendes Ungeheuer den Berg hinaufzuwälzen begann...
* * *
»Das ist die Wahrheit, Robert.«
Shannons Stimme schien von weit, weit her an mein Bewußtsein zu dringen, obgleich sein Mund nur Zentimeter neben meinem rechten Ohr war, denn er war niedergekniet und hatte den Arm um meine Schulter gelegt. Aber ich hörte sie kaum. Es durfte einfach nicht sein. Nicht das.
Mühsam sah ich auf, atmete tief die stinkende Luft der Höhle ein und blickte Shannon an. Für einen Moment schien sein Gesicht vor mir zu verschwimmen, dann begriff ich, daß es meine eigenen Tränen waren, die meinen Blick verschleierten. »Du... du hast mir das nicht nur gezeigt, um –
Ich sprach nicht weiter. Meine Stimme versagte mir den Dienst. Aber Shannon wußte auch so, was ich hatte fragen wollen. Beinahe
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