Der Hexer - NR31 - Die Macht des NECRONOMICON
Kinn und ließ mich steif wie ein Brett zurückfallen.
Etwas, das härter als der Sand, aber nicht ganz so hart wie Stein war, dämpfte meinen Aufprall. Eine glühende Hand strich über mein Gesicht und versengte mein Haar und meine Brauen.
Instinktiv griff ich zu und spürte steinhartes Leder unter meinen Fingern, dazwischen uraltes Pergament, das wie ein lebendes Wesen pulsierte und bebte. Das NECRONOMICON!
Und im gleichen Moment, in dem sich meine Finger um das uralte Buch des Bösen schlossen, hörte Priscylla auf, Sitting Bulls Gesicht zu bearbeiten.
Für einen Moment erstarrte sie. Langsam, wie eine Bewegung, die gegen ihren Willen geschah, wandte sie den Kopf und blickte mich an.
Ihr Gesicht war das einer Wahnsinnigen, eine verzerrte Grimasse, in dem die Augen wie kleine brennende Seen loderten. Ihre Lippen bebten. Speichel lief über ihr Kinn. »Robert«, flüsterte sie.
Und vielleicht war es gerade das, was den letzten Anstoß gab.
Sie sprach mit Priscyllas Stimme, jenem sanften, seidenweichen Flüstern, das ich vor so langer Zeit zum letzten Mal gehört hatte. Und plötzlich war Angst in ihren Augen, nackte, panische Angst.
»Robert, tu es nicht«, flehte sie. »Du tötest mich.«
Ich schrie auf, warf mich herum – und schleuderte das NECRONOMICON mit aller Macht in die Flammen.
Priscylla kreischte, fiel von Sitting Bulls Brust herunter und krümmte sich wie unter Schmerzen.
Und etwas anderes, sehr Großes, fiel von den Felsen über dem Lager und landete krachend im Feuer.
Der Anblick war so unglaublich, daß ich für einen Moment allen Ernstes an meinem Verstand zweifelte.
Inmitten der prasselnden Flammen stand ein Mann! Sein Aufprall hatte das Feuer auseinandergerissen und brennende Scheite und Funken in alle Richtungen spritzen lassen. Die Felsen waren zehn Yards hoch, und im Inneren des lodernden Scheiterhaufens mußten irrwitzige Temperaturen herrschen – aber er lebte! Er lebte und richtete sich mühsam auf. Torkelnd, wie benommen von dem harten Aufprall, stemmte er sich auf die Füße, blieb einen endlosen Augenblick lang regungslos stehen und bückte sich dann nach dem NECRONOMICON!! Seine Kleider und seine Hände brannten, aber das Buch war unversehrt, als er es aus den Flammen hob.
Dann trat er mit einem einzigen, raschen Schritt aus dem Feuer heraus und blieb dicht vor mir stehen.
Mein Herz wollte es ihm gleichtun, als ich sein Gesicht sah.
Ich konnte die Hitze spüren, die die unmögliche Gestalt ausstrahlte. Das Kettenhemd, das unter den verschmorten Resten seines Templergewandes sichtbar war, glühte. Dünne graue Rauchfäden kräuselten sich von seinen Schultern. Sein Gesicht und seine Hände waren schwarz.
Aber sie waren nicht verbrannt.
Das Ding, das vor mir stand, war kein Mensch.
Es war eine Kreatur, die wie das böse Hohnbild eines Menschen aussah.
Alles an ihm war schwarz, ein Schwarz von einer Tiefe, wie ich es noch nie zuvor gesehen hatte. Seine Hände waren Klauen, verkrümmte schwarze Krallen aus Horn, und sein Gesicht eine Maske des Entsetzens, schmal, grausam, mit kleinen matten Knopfaugen wie Kugeln aus Stahl, der Mund ein Schlitz, aus dem ein fürchterliches, zischendes Lachen kam.
Hinter mir krachte ein Schuß. Ich sah, wie die Kugel gegen seine Stirn schlug. Die Horrorgestalt wankte nicht einmal.
Plötzlich krachten irgendwo in der Dunkelheit hinter uns mehr Schüsse. Menschen schrien, ein Pferd kreischte, von einer fehlgeleiteten Kugel getroffen, dann krachte eine ganze Gewehrsalve.
Und endlich erwachte ich aus meiner Erstarrung. Mit einem verspäteten Schreckensschrei prallte ich zurück, stolperte über Sitting Bull und schlug rücklings auf den Boden. Die Templer-Karikatur vor mir kicherte böse, folgte mir und blieb abermals stehen. Eine ihrer schrecklichen Klauen streckte sich aus und half Priscylla auf die Füße; die andere, noch immer schwelend, umklammerte das Buch. Es war nicht einmal angesengt.
Mühsam richtete ich mich auf, kämpfte die Mischung aus Entsetzen und ohnmächtigem Zorn nieder und versuchte den Blick des Unheimlichen zu fixieren. Mit aller Macht konzentrierte ich mich.
»Laß es fallen«, sagte ich. »Wirf es ins Feuer!«
Die Gestalt zögerte. Irgend etwas änderte sich im Blick ihrer furchtbaren Augen, aber ich konnte nicht erkennen, was es war: Furcht oder Spott.
»Wirf es ins Feuer!« sagte ich noch einmal. Ich unterstrich meine Worte mit aller suggestiver Macht, die ich aufbringen konnte.
»Du verschwendest deine
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