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Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt

Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt

Titel: Der Hexer - NR33 - Wer die Götter erzürnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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dürre, von pergamentener Haut umspannte Gelenke wehten...
    Panik erstickte seinen Schrei, als Petrosch herumfuhr und wie von Sinnen zu laufen begann. Zweimal stolperte er über Wurzeln und Geröll, und wenn er sich hastig wieder aufrappelte, vermeinte er schon den nach Verwesung stinkenden Atem der lebenden Leichen in seinem Nacken zu spüren.
    Lydia stand noch so da, wie er sie verlassen hatte: nackt, das helle Kleid um ihre Füße. Als sie Petrosch kommen sah, lief sie ihm entgegen – und erstarrte, als sie das Grauen in seinen Augen las.
    Er versuchte erst gar nicht, ihr zu erklären, was er gesehen hatte. »Weg!« keuchte er nur. »Lauf um dein Leben!«
    Als sie nicht sofort reagierte, zerrte er sie einfach mit sich. Sie schrie auf, als sich seine Hände brutal um ihre Arme schlossen, doch er achtete nicht darauf. »Zu den Wagen!« brüllte er mit überschnappender Stimme. »Wir müssen die Sippe warnen, sonst sind wir alle verloren!«
    Und hinter ihnen erscholl ein Summen aus Hunderten von toten Kehlen – ein auf- und abschwellender Laut, der ihnen das Blut in der Adern gefrieren ließ. Die Untoten hatten Leben gewittert. Und niemand konnte sie aufhalten.

    * * *

    Unwillkürlich wurde ich an den Vorabend erinnert, als wir das verlassene Viertel erreichten und Rowlf die Kutsche zum Halten brachte. Wieder hatten Howard und ich während der Fahrt nur wenige Worte gewechselt und mehr unseren Gedanken an das Bevorstehende nachgehangen.
    Und doch gab es einen Unterschied zum gestrigen Tag. Nicht nur, daß der Himmel nun klar und der Sommerabend warm und freundlich war; auch fühlte ich Hoffnung und Zuversicht in mir. Ich hatte einen Verbündeten, der wie ich die Magie beherrschte, und ich konnte sicher sein, daß er mir bei dem Kampf zur Seite stand. Und ich hatte die Lösung für ein weiteres Problem gefunden...
    Aber daran konnte ich in seiner Anwesenheit nicht denken, wollte ich nicht alles zunichte machen.
    Gurk saß mir gegenüber und schmollte. Er zupfte an seinen langen weißen Haaren herum, warf mir dann und wann einen mißmutigen Blick zu und gab keinen Ton von sich. Ich konnte verstehen, daß ihm mein Plan nicht gefiel. Aber es war die einzige Möglichkeit, den Golem in die Falle zu locken.
    Howard öffnete den Wagenschlag und warf den Stummel der Zigarre hinaus, mit der er unsere Fahrt in gewohnter Weise verseucht hatte, dann kletterte er hinterher, drehte sich um und wollte mir beim Aussteigen behilflich sein.
    »Danke, ich komme sehr gut selbst zurecht«, sagte ich und mußte unwillkürlich grinsen. Den Ausdruck auf seinem Gesicht, als er mit einer Spritze und einer Ampulle Analgetika in mein Zimmer zurückkehrte und mich angekleidet und abfahrbereit vorfand, würde ich kaum vergessen können.
    Ich hatte ihn überzeugen können, daß sich der Nackenwirbel wohl von selbst wieder eingerenkt hatte, aber noch jetzt starrte er mich an wie einen bunten Hund.
    »Bist du wirklich in Ordnung?« fragte er, und seine Stimme klang mehr skeptisch als besorgt.
    »Ja doch«, antwortete ich heftiger als beabsichtigt und sprang vom Trittbrett auf die von Unrat und Schutt übersäte Straße hinab. »Mach dir bitte keine Sorgen um mich«, fügte ich versöhnlicher hinzu und sah mich um.
    Die Sonne war vor ein paar Minuten erst am Horizont verschwunden und hatte ein Meer von Farben am westlichen Firmament zurückgelassen. Ihre letzten Strahlen hüllten die obersten Stockwerke der verlassenen Mietskasernen in ein weiches, goldenes Licht, doch die Schatten wanderten schnell, und bald schon würde die Nacht zwischen den Straßenschluchten Einzug halten.
    Teil eins meines Planes trat in Kraft; fast schon der schwierigste des ganzen Unternehmens. Ich wandte mich zu Howard und Rowlf um, der eben vom Kutschbock herunterkletterte, und holte tief Luft.
    »Also«, begann ich und versuchte, meiner Stimme einen festen Klang zu verleihen, der keinen Widerspruch duldete. Ich merkte selbst, daß es mir nicht ganz gelang. »Du und Rowlf, ihr werdet jetzt zurückfahren. Ich kümmere mich allein um –«
    »Was?« fuhr Howard dazwischen und starrte mich an, als hätte ich ihm soeben eine Ohrfeige verabreicht. »Bist du noch bei Sinnen, Junge?«
    »Allerdings«, gab ich energisch zurück. »Ich weiß sehr gut, was ich tue. Howard, ich bitte dich; vertrau mir einfach. Ich werde es dir erklären; später. Ich muß allein sein, wenn ich dem Golem gegenübertrete.«
    Eine halbe Minute lang schwieg Howard und blickte mir prüfend in die Augen.

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