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Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London

Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London

Titel: Der Hexer - NR36 - Das Hirn von London Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Verschiedene
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Vor- und Nachname, wie man vermuten darf. Die geläufigsten und beliebtesten Namen, die mit einem ›R‹ beginnen, waren vor rund fünfundzwanzig Jahren – abzüglich Ihres geschätzten Alters also – Richard, Rudolph und Robert. Da Sie nicht aus England stammen, scheidet Richard wohl aus – Königstreue ist keine Eigenschaft, die sich in der Neuen Welt besonderer Wertschätzung erfreut. Rudolph ist mehr ein Name, der auf dem Kontinent verwandt wird – bleibt also Robert. Genau ins Schwarze getroffen, nicht wahr?«
    Er strahlte jetzt förmlich vor Selbstzufriedenheit, sonnte sich geradezu in ihrem Glanz, zumal ihn sein Gefährte, der während des ganzen Gesprächs den Mund nicht ein einziges Mal aufgemacht hatte, mit Blicken unverhohlener Bewunderung bedachte. Ich war es mir ganz einfach schuldig, ihm zu zeigen, daß er keinesfalls der intelligenteste, klügste und scharfsinnigste Mensch in der ganzen weiten Welt war.
    Und so schloß ich die Augen und konzentrierte mich, konzentrierte mich mit aller Macht auf sein Bewußtsein. Er war, wie er vorhin zugegeben hatte, des Gedankenlesens nicht fähig. Ganz im Gegensatz zu mir! Und wenn ich mir auch geschworen hatte, meine magischen Kräfte nur in Notfällen einzusetzen, so mußte ich nun meinen Vorsatz brechen – wenn auch nur, um am Lack seiner Großartigkeit zu kratzen.
    Als ich die Augen wieder öffnete, war es an mir, ein selbstgefälliges Lächeln zur Schau zu stellen.
    »Soll ich Ihnen jetzt einmal ein paar Wahrheiten über Sie erzählen, mein Bester?« fragte ich lauernd.
    »Nur zu«, sagte er und verschränkte die Arme vor der Brust, während milder Spott seine Mundwinkel umspielte. »Ich glaube allerdings nicht...«
    »Ihr Name ist Sherlock Holmes. Sie nennen sich ›Beratender Detektiv‹, bewohnen gemeinsam mit Ihrem Freund Dr. John H. Watson« – ich nickte seinem Nebenmann freundlich zu – »eine Drei-Zimmer-Wohnung in der Baker Street 221 B, sind der Ansicht, daß die Welt ohne Sie vor ungefaßten Verbrechern nur so überquellen würde, haben kürzlich bei der versuchten Aufklärung des Mordfalls James G. Pentecost geradezu jämmerlich versagt und können, was Ihr Violinenspiel anbelangt, dem Ihrer Ansicht nach maßlos überschätzten Niccolo Paganini nicht einmal den Geigenkasten halten!«
    Mein Gegenüber sperrte buchstäblich Mund und Nase auf. »Ganz elementar«, krächzte er.

    * * *

    Vincent Calhoun war schlechter Laune. Als Constable von Grimpen schob er normalerweise eine ausgesprochen ruhige Kugel, so ruhig, daß ihn manchmal sogar ein Gefühl der Langeweile überkam. Aber er langweilte sich doch lieber, als den befremdlichen Aufregungen und Mühen der letzten Wochen und Tage ausgesetzt zu sein. Erst der Tod von Sir Charles Baskerville, der selbst seine Vorgesetzten aus Coombe Tracey und Exeter vor mehr Rätsel gestellt hatte, als sie wahrhaben wollten, dann die Sache mit dem angeblichen Höllenhund, von dem keiner genau wußte, ob es ihn nun wirklich gab oder ob er nur in der Einbildung einiger überängstlicher Dorfbewohner existierte, und schließlich das mysteriöse Ende Frederic Murphys, für das es überhaupt keine vernünftige Erklärung ab. Und zu allem Überfluß war nun auch noch ein wahrscheinlich geisteskranker Verbrecher und Mörder namens Seiden aus dem Zuchthaus ausgebrochen, der sich hier irgendwo im Moor versteckt haben sollte.
    Und an wem blieb all dies hängen? An ihm, Vincent Lionel Calhoun, Constable von Grimpen, einem Mann, der nicht einmal genug Geld für seine unermüdliche Arbeit bekam, um sich jede Woche ein anständiges Stück Fleisch leisten zu können.
    Leise vor sich hin fluchend, stapfte Calhoun durch die öde Landschaft. Er gab sich nicht die Mühe, besonders leise und unauffällig zu wirken. Zum einen glaubte er nicht daran, daß sich der entsprungene Mörder hier irgendwo in der Nähe aufhielt, und zum anderen – nun, wenn der Kerl wirklich in der Gegend herumstrolchte, hatte er nicht gerade das Bedürfnis, ihm zu begegnen. Wahnsinnigen Mördern kam es auf ein Opfer mehr oder weniger nicht an, und er wurde wahrlich nicht dafür bezahlt, eine solche Gefahr auf sich zu nehmen. Er suchte ja immerhin nach Seiden, nicht wahr? Mehr konnte nun wirklich kein Mensch – nicht einmal ein Vorgesetzter – von ihm erwarten.
    Als Constable Calhoun hinter einem der Findlingssteine, die schon seit Jahrtausenden im Moor herumlagen, ein Geräusch zu hören glaubte, konnte er nur mit Mühe einen deftigen Fluch

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