Der Hexer - NR37 - In der Festung des Dschinn
Dünenkämme absuchte.
»Was ist?« fragte Renard de Banrieux besorgt. Auch er griff zum Schwert, zog die Waffe aber noch nicht. Gouvin du Tourville antwortete nicht sofort, sondern drehte sich einmal um seine Achse, während sein Blick weiterhin mißtrauisch die gewellte Horizontlinie absuchte. Dann nahm er mit sichtlicher Überwindung die Hand von der Waffe und zuckte mit den Achseln. »Ich... weiß nicht«, gestand er zögernd. »Irgend etwas ist...« Er brach ab, suchte einen Moment nach Worten und hob schließlich abermals die Schultern. »Vielleicht habe ich mich getäuscht«, murmelte er. »Ich hatte das Gefühl, jemand beobachtet uns.«
Guillaume de Saint Denis sah den Templer verwirrt an. Gouvin war mit seinen Gefühlen ganz und gar nicht allein. Auch er hatte schon seit geraumer Zeit das Empfinden gehabt, von unsichtbaren Augen angestarrt zu werden, es aber auf seine eigene Nervosität und Furcht geschoben. Andererseits...
»Nizar?« fragte Renard de Banrieux. »Du meinst, er hat uns verfolgen lassen?«
Renard nickte. »Zuzutrauen wäre es ihm. Er hat uns ein wenig zu rasch wegreiten lassen, für meinen Geschmack. Vielleicht hat er einige seiner Kreaturen auf unsere Spur gesetzt«
»Kaum«, antwortete Guillaume. »Sie hätten hundert gute Gelegenheiten gehabt, uns zu töten, unterwegs.« Aber seinen Worten fehlte die rechte Überzeugung. Möglicherweise hatten sie Nizar unterschätzt. Daß der Magier wie eine Witzfigur aussah, mochte durchaus Berechnung sein – wer fürchtet schon einen Mann, dessen bloßes Aussehen zum Lachen reizt? Und möglicherweise war es ganz genau das gewesen, was Nizar damit bezweckt hatte, sie so ohne weiteres laufen zu lassen, nachdem Gouvin du Tourville ihn beleidigt und er, Guillaume, ihm gar den Tod prophezeit hatte. Vielleicht wußte er um die Existenz der Schwarzen Stadt und hatte nur darauf gewartet, daß sie ihm den Weg hierher zeigten.
»Wir sollten trotzdem vorsichtig sein«, sagte Gouvin du Tourville. »Vielleicht wäre es besser, wenn einer von uns als Wache hier zurückbliebe. Schon wegen der Pferde.«
Guillaume de Saint Denis schwieg einen Moment. Der Gedanke, nur in Renard de Banrieux’ Begleitung – oder gar allein – in die Bleikammer hinunterzusteigen, in der der Grund für ihr Kommen verborgen lag, verursachte ihm Übelkeit.
Aber dann nickte er doch. »Du hast recht, Bruder Gouvin«, sagte er. »Bruder Renard und ich werden allein gehen. Du bleibst hier zurück und deckst unsere Rücken.«
Es gelang Gouvin du Tourville nicht vollends, ein erleichtertes Aufatmen zu unterdrücken. Aber Guillaume de Saint Denis tat so, als hätte er es nicht bemerkt. Gouvins Verhalten hatte nichts mit Feigheit zu tun. Kein denkendes Wesen, das der Angst fähig war, hätte nicht versucht, eine Ausrede zu finden, um nicht in die schwarze Wahnsinnsstadt hinabgehen zu müssen.
Renard und er gingen weiter, während Gouvin fast überhastet zu den Pferden zurückeilte und seinen Wachtposten bezog. Der Eingang war zum Großteil mit Flugsand verschüttet, so daß sie weitere kostbare Minuten damit verschwenden mußten, sich mit den Händen einen Durchgang zu schaufeln, durch den sie ins Innere des Gebäudes hineinkriechen konnten.
Der Tag blieb hinter ihnen zurück, aber es wurde nicht dunkel. Die Wände selbst strahlten ein unangenehmes, irgendwie krank wirkendes Licht aus, die gleiche Art von widerwärtiger Helligkeit, die den größten Teil der Schwarzen Stadt beleuchtete, und die Kälte sprang sie an wie ein unsichtbares Raubtier mit gläsernen Krallen. Aber all das kannte Guillaume de Saint Denis. Alles war so wie das erste Mal, als sie hiergewesen waren.
Nur eines war anders, dachte er schaudernd, als er sich neben Renard de Banrieux aufrichtete und mit einer Kopfbewegung auf die steinerne Treppe deutete, die vor ihnen in die Tiefe führte.
Das erste Mal waren sie vor dem Grauen geflohen, das in der bleiverkleideten Kammer im Herzen der Schwarzen Stadt lauerte.
Diesmal waren sie gekommen, es mit sich zu nehmen...
* * *
Etwas, das sich wie das Winseln eines geprügelten Hundes anhörte, weckte mich. Im ersten Moment fiel es mir schwer, den Laut zu identifizieren, denn obgleich ich am vergangenen Abend noch lange wach gelegen und die durchscheinende Zeltbahn über meinem Kopf angestarrt hatte, hatte ich doch sehr tief und traumlos geschlafen, und ich wachte nicht sofort und vollständig auf, wie es ansonsten meine Angewohnheit war, sondern glitt für einen Moment in
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