Der Hexer - NR39 - Die Rache des Schwertes
Stellvertreter, solange André de la Croix abwesend war. Doch nach allem, was Hendrik von ihm wußte, war diese Bezeichnung nicht nur ein leerer Titel. Philippe de Valois war der Desert-Master des Ordens; zumindest war er ihm ebenbürtig.
Der selbsternannte Desert-Master atmete tief durch und wandte sich an das hundertköpfige Heer. Ein zufriedenes Lächeln spielte um seine Lippen, die so schmal waren, daß sie wie Striche wirkten. »Der Dunkle ist erschienen! Macht euch bereit, denn sobald Bruder de Saint Denis erscheint, werden wir angreifen!«
»Gott will es!« brüllten die Templer begeistert.
Und zu seiner eigenen Überraschung stimmte Hendrik van Retten in diesen Ruf ein.
* * *
Der Araber hielt sein Dromedar keine zwanzig Schritte vor mir an. Ich sah, wie er mich aus seinen dunklen Augen abschätzend musterte, und erwartete jeden Moment seinen Angriff. Statt dessen befahl er seinem Dromedar mit einem kehligen Laut, niederzuknien, und glitt geschmeidig aus dem Sattel.
Er war einen guten Kopf kleiner als ich und schlank, ohne jedoch so hager zu sein, wie es die meisten von der Wüstensonne ausgedörrten Beduinen sind. Seine Gestalt wurde von einem dunklen Gewand verhüllt. Darüber trug er einen weißen Haik, dessen Kapuze er sich eben abstreifte. Nicht, daß ich nun mehr von ihm gesehen hätte, denn er hatte die Enden seines Turbans so vor das Gesicht geschlungen, daß nur seine Augen freiblieben.
Mehr denn je glaubte ich, einen von Necrons Drachenkriegern vor mir zu sehen. Zumal an seinem Gürtel ein gewaltiges Schwert hing, dessen Knauf von etwas geschmückt wurde, das mich sehr unangenehm an einen stilisierten Drachenkopf erinnerte. Es war eine Waffe, wie ich noch keine zuvor gesehen hatte, so prachtvoll und ehrfurchtgebietend, daß ich mehr auf sie als auf den Krieger starrte.
Ich spannte mich, trat einen halben Schritt zurück an und hob unmerklich die Spitze meines Degens. In diesem Moment hob er die Hand und begrüßte mich in einem westarabischen Dialekt:
»Eßßelamu Alikum!«
»Aleikum es Salem«, antwortete ich verblüfft. In den schwarzen Augen meines Gegenübers blitzte es amüsiert auf. Einen Moment lang starrte er mich noch an, dann kam er näher, so langsam, als wolle er mir bewußt Gelegenheit geben, ihn in aller Ruhe in Augenschein zu nehmen. Ich tat ihm den Gefallen und sah ihn mir genauer an.
Einen Moment später schalt ich mich in Gedanken einen hysterischen Narren. Es gab Unterschiede zu den Drachenkriegern; Unterschiede, die nicht zu übersehen waren. Die Kleidung des Arabers war zwar dunkel, jedoch nicht schwarz. Außerdem saß sie sehr locker auf seinem Körper und war nicht so enganliegend wie bei Necrons Kriegern. Und die stilisierte Sandrose aus Silber, die den Knauf seine Schwertes schmückte, hatte wohl auch nur ich für einen Drachenkopf halten können.
Der Araber war ebensowenig ein Anhänger Necrons wie ich einer der GROSSEN ALTEN. Ich begann zu glauben, daß er den Friedensgruß vollkommen ehrlich meinte. Und doch hatte ich ihm gegenüber ein eigenartiges Gefühl. Ich fand ihn einerseits vertrauenserweckend, gleichzeitig machte sich jedoch ein großer Knoten in meinem Magen bemerkbar. Alles in mir schrie: Vorsicht! – ohne daß ich für eines der beiden Gefühle auch nur die Spur einer logischen – oder meinetwegen auch unlogischen – Begründung hätte finden können.
»Du bist ein großer Held, Sidi, denn es ist dir gelungen, den Verderber der Adjibh zu vernichten. Doch laß mich nun nach deinen Wunden sehen.«
Seine Stimme drang mir bis ins Mark. Sie war weich und fließend, eher die Stimme eines Knaben als die eines erwachsenen Mannes. Außerdem spürte ich die ehrliche Bewunderung, die aus ihr sprach – und bekam prompt rote Ohren vor Verlegenheit.
Außerdem hatte ich nicht den Schimmer einer Ahnung, was er mit seinen Worten überhaupt meinte...
Der Araber kam näher und lächelte.
Zumindest glaubte ich, daß er lächelte, denn seine Augen taten es.
»Sei nicht so bescheiden, Sidi. Es gibt keinen unter den Beni Arab, der das vollbracht hätte. So nimm ruhig meinen Dank dafür, daß du mit Allahs Hilfe die Wüste von diesem Ungeheuer befreit hast.« Mit diesen Worten ging er zu seinem Kamel, öffnete die Satteltasche und holte Verbandszeug hervor. Wovon, zum Teufel, sprach der Kerl? Von Nizar?
Ich sah den prall gefüllten Wassersack hinter dem Sattel hängen und wollte ihn bitten, mich trinken zu lassen. Doch da füllte er bereits einen Kupferbecher
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