Der Hexer - NR39 - Die Rache des Schwertes
sich die wenigen Male, die ihn der selbstgewählte Desert-Master in den letzten Monaten zum Gespräch empfangen hatte, an seiner linken Hand abzählen. Und er hatte nur noch vier Finger daran, seit er den kleinen Finger in einem Kampf gegen Necrons Drachenkrieger verloren hatte.
»Ah, da seid Ihr ja, Bruder van Retten. Ich wollte Euch bitten, diesen Kampf an meiner Seite mitzuerleben, damit ihr dem Großmeister unserer erhabenen Bruderschaft in allem genau Bericht erstatten könnt!«
Philippe de Valois versuchte seiner Stimme den Anschein der Leutseligkeit zu geben, doch Hendrik war klar, daß diese »Bitte« ein Befehl war, dem er sich nicht widersetzen konnte. De jure hatte Roi Philippe ihm nichts zu befehlen aber de facto war er hier der Chef, solange de la Croix nicht zurück war. Und die Wüste war voller Gefahren. Wie leicht, dachte Hendrik mit einer Mischung aus Zorn und Unsicherheit, konnte er stolpern und in ein Schwert fallen. Oder gleich in dreißig.
Philippes Beweggründe waren ihm klar: Er sollte den Triumph des Desert-Masters aus nächster Nähe mitansehen, durfte vielleicht sogar den entscheidenden Schwerthieb gegen den Antichrist führen. Doch die Art, wie dieser Kampf geplant worden war, stellte eine Kampfansage gegen Großmeister Balestrano selbst dar.
Seltsamerweise erinnerte sich Hendrik in diesem Augenblick daran, daß es de Valois und seinen Leuten bis heute nicht gelungen war, diesen sagenumwobenen Templerjäger Sill el Mot zu erwischen.
Er blickte in das hagere Gesicht des Ersatz-Desert-Masters, das eine Spur zu streng und unduldsam aussah, um asketisch zu wirken. De Valois’ helle Augen strahlten zwar eine gewisse Aura der Macht aus, doch sie standen zu eng über der messerrückenscharfen Adlernase, um wirklich majestätisch zu wirken. Van Retten erinnerte sie eher an einen Aasgeier als an einen Adler. Der Desert-Master war sicherlich kein Dutzendmensch, doch er war auch kein Roi Philippe. Hendrik hatte instinktiv das Gespür, daß de Valois ein Mann war, der sich leicht in eine Sache verrennen und dabei Fehler begehen konnte.
»Bruder de Saint Denis müßte schon längst wieder hier sein«, wagte ein Ritter zu bemerken. De Valois warf ihm einen Blick zu, der deutlich zeigte, daß er solche Äußerungen als unliebsame Kritik betrachtete. Dennoch bequemte er sich zu einer Antwort.
»Guillaume de Saint Denis wird in weniger als fünf Minuten hier sein. Der Sand meldet mir sein Erscheinen!«
Für Hendriks Geschmack ritt Roi Philippe von eigenen Gnaden ein wenig zu sehr auf seinem Können herum. Aber er wagte es nicht, auch nur zweifelnd die Stirn zu runzeln, sondern blickte wie alle anderen in die Wüste hinaus.
Tatsächlich verging nicht einmal eine Minute, ehe sie den Reiter sahen. Einen einzelnen, nicht sehr schnellen Reiter.
»Da stimmt etwas nicht! Das Pferd ist zu Tode erschöpft, und Bruder Guillaume liegt kraftlos im Sattel!« rief Noel de Guivac verblüfft. Der Desert-Master preßte besorgt die Lippen zusammen und gab zwei Mamelucken, die in seiner Nähe warteten, einen Wink.
Die Sarazenenreiter preschten de Saint Denis entgegen, parierten ihre flinken Pferde neben seinem mächtigen Streitroß und fingen Guillaume gerade noch auf, bevor er aus dem Sattel fallen konnte. Noel de Guivac trieb sein Pferd mit einem Fluch an, um dem Ordensbruder zu Hilfe zu kommen. Doch noch schneller als er war der Desert-Master selbst bei de Saint Denis.
Die Mamelucken hatten den verletzten Ritter vom Pferd gehoben und legten ihn nun in den Sand. Einer der Männer streifte seinen Haik ab und hielt ihn so, daß de Saint Denis vor der Sonne geschützt war. Ein abgebrochener Pfeilschaft ragte aus der rechten Hand des Verletzten; sein Waffenhemd war blutüberströmt.
»Was ist geschehen? Wo ist das Auge?«
De Valois’ Fragen prasselten hageldicht auf de Saint Denis nieder. Dieser richtete sich stöhnend auf und öffnete sein Visier.
»Verrat«, murmelte er. »Wir sind... verraten worden. Bruder Renard und Bruder Gouvin sind... tot.« Seine Stimme war sehr schwach. Er hatte hohes Fieber.
»Angegriffen?« Roi Philippe beugte sich vor und begann den Verletzten rücksichtslos zu schütteln. »Was ist geschehen?« schrie er. »Rede!«
»Wir... wir hatten Craven schon gefangen«, stammelte Guillaume, »und wollten das Teufelsamulett gerade an uns nehmen, als dieser Wüstendämon erschien.«
»Der Wüstendämon?« Philippe der Selbstgekrönte wurde bleich. »Sill?« keuchte er. »Sill el
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