Der Hexer - NR47 - Stadt der bösen Träume
Gegenstände schienen zu flackern und mit jeder Sekunde mehr an Substanz zu verlieren. Auch wenn sich jedes Detail am gleichen Platz wie seit Jahren befand, war dies nicht das Zimmer, in dem ich so oft mit Howard und...
Howard!
Es war, als würde irgendwo in mir ein Schleier zerreißen, der meinen Blick bislang getrübt hatte. Mit einem Male konnte ich mich an alles erinnern. Ich hatte keineswegs geträumt, und wenn Shadow es mir hundert Mal einzureden versuchte. Die Drachenburg existierte schon seit mehr als einem halben Jahr nicht mehr, und Necron war mit ihr untergegangen. Und ich befand mich auch nicht mehr in London. Ich war zusammen mit Howard an Bord der NAUTILUS zu Nemos Stützpunkt aufgebrochen, und Howard war von dem Shoggoten überwältigt worden. Die ganze Zeit über hatte ich nicht mehr an ihn gedacht, und daran war keineswegs nur mein allmählich altersschwaches Gedächtnis schuld.
(Puh... Schwein gehabt! Der HEXER spielt eben doch nicht in Dallas...)
Zornig blickte ich auf die El-o-hym herab.
»Versuche so etwas nie wieder!« herrschte ich sie an. »Ich weiß nicht, was du gemacht hast und was du damit bezweckst, aber laß es, oder ich...«
»Oder was?« unterbrach sie mich mit einschmeichelnder Stimme, die mir mehr als alles andere zeigte, wie lächerlich es im Grunde war, einem Engel drohen zu wollen. Wütend ballte ich die Fäuste.
»Robert, ich habe nichts getan, was dir schaden könnte«, fuhr sie rasch fort und machte eine weitausholende Geste. Das Zimmer wurde wieder zu dem, was es vorher war. Nicht mehr als ein leerer Raum in einem leeren Gebäude. »Du bist erschöpft, auch wenn du es nicht wahrhaben willst. Und außerdem haben wir uns so lange nicht gesehen, und ich...«
»Und du kannst nicht wieder Priscyllas Gestalt annehmen, um meine Liebe zu erschleichen«, stieß ich hervor, härter, als ich eigentlich beabsichtigt hatte. Ihre Ruhe und ihr mitleidiges Lächeln trieb mich zur Raserei. Obwohl meine Worte ihr Schmerzen bereiten mußten, und der Vorwurf unberechtigt war, schluckte ich die Entschuldigung hinunter, die mir auf der Zunge lag. Ich kam nicht gegen den Zorn an, der plötzlich in mir war, wußte nicht einmal, woher er kam. Das Gefühl, mich in einer völlig absurden, inszenierten Situation zu befinden, hatte sich mit dem Verschwinden der Möbel keineswegs verringert.
Das Wesen, das vor mir stand, war nicht die Shadow, die ich gekannt hatte. Ich konnte mir nicht einmal entfernt vorstellen, was sie in den letzten acht Monaten durchgemacht hatte, aber ich konnte die mit ihr vorgegangenen Veränderungen spüren. Wenn ich sie beleidigte, so diente es mir als Ventil, um meine Hilflosigkeit durch Grobheit zu überspielen, und war zugleich ein Versuch, endlich ein wahres Gefühl an ihr zu entdecken.
Doch selbst jetzt erschien mir der Ausdruck von Schmerz auf ihrem Gesicht noch gespielt, wie bei einer äußerlich makellosen Puppe, der man nur eines nicht hatte mitgeben können: eine Seele.
Was hat man nur mit ihr gemacht? dachte ich entsetzt.
Mit aller Kraft kämpfte ich gegen meinen Zorn an und räusperte mich. »Du hast gesagt, daß du mich zu Howard bringen kannst«, wechselte ich das Thema.
Shadow nickte.
»Dann bring mich hin«, forderte ich und versuchte, alle Härte, die ich aufzubringen in der Lage war, in meine Stimme zu legen. »Jetzt sofort.«
Ohne ein weiteres Wort wandte sie sich zum Ausgang und trat auf die Straße. Ihr Gesicht war maskenhaft starr. Hastig folgte ich ihr.
Die Sonne war merklich tiefer gesunken und hatte sich rötlich verfärbt. Sie schien den ganzen Himmel in flüssiges Feuer zu tauchen. Auch auf die Gebäude blieb die Veränderung nicht ohne Wirkung. Ihr vormals strahlender Glanz hatte sich auf den unteren, in Schatten getauchten Metern in ein mattes Grau verwandelt und jeden Rest von Schönheit verloren,
»Uns bleibt nicht viel Zeit«, drang Shadows Stimme in meine Gedanken. »Es kann nicht lange dauern, bis die Sonne untergeht. Bis dahin müssen wir den Shoggoten gefunden haben. Bei Nacht steigert sich seine Macht um ein Vielfaches.«
Ich musterte sie unsicher. Ihre Gestalt schien sich der veränderten Umgebung anzupassen, ebenfalls dunkler und grau zu werden. Ihre Flügel verloren ihre Anmut und erinnerten an farbloses Gestein. Bei Nacht sind alle Katzen grau, durchfuhr es mich. Ihre plötzliche Eile, die so gar nicht zu ihrem vorherigen Verhalten passen wollte, irritierte mich.
Ich folgte ihr durch das Labyrinth der verwinkelten
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