Der Hexer - NR48 - Geistersturm
aus meinem Griff zu winden. »Sie wird uns alle vernichten, wenn ich sie nicht töte!«
»Du wirst ihr nichts tun!« brüllte ich. Verbissen rangen wir um den Besitz des Revolvers. Ich kämpfte wie ein Berserker um Pris Leben. Für einen Augenblick ließ ich Howard los und knallte ihm die Faust ans Kinn. Ich hatte nicht viel Schwung holen können, aber die Wucht des Schlages reichte aus, Howard erschlaffen zu lassen.
Erst zu spät erkannte ich, daß er sich nur verstellt hatte. Als ich mich ein wenig aufrichtete, zog er die Beine an und schleuderte mich zurück.
Für einen Sekundenbruchteil flackerte der Schmerz in meinem Rücken wieder auf, aber er verging ebensoschnell. Ich sah, wie Howard sich aufrichtete und die Waffe auf die immer noch reglose Priscylla anlegte.
»Neeiiin!«
Ich war mir nicht einmal bewußt, daß ich es war, der den Schrei ausgestoßen hatte. Mit aller Kraft stieß ich mich vom Boden ab und sprang Howard an. Ich bekam den Revolver zu packen und drehte seine Hand mit einem harten Ruck herum.
Ein Schuß löste sich. Gleichzeitig sackte Howard in sich zusammen. Ein ungläubiger Ausdruck erschien auf seinem Gesicht. Ein, zwei Herzschläge lang starrte er mich anklagend an, dann brach er endgültig zusammen. Reglos blieb er auf dem Boden liegen. Blut sickerte aus einer Wunde in seiner Brust.
Unberührt von allem setzte Priscylla ihre Beschwörung fort. Die düsteren Worte klangen wie bitterer Hohn in meinen Ohren.
»Hör auf!« schrie ich und fuhr herum. Der Ausdruck des Wahnsinns war aus ihrem Gesicht gewichen. Es zeigte wieder das engelhaft schöne Antlitz, das ich so liebte, aber gerade dadurch schienen die Beschwörungsformeln in der Sprache der GROSSEN ALTEN noch grausamer zu klingen.
»Hör auf!« schrie ich noch einmal und taumelte auf sie zu.
Im gleichen Moment hörte ich hinter mir ein Geräusch. Mit letzter Kraft hatte Howard noch einmal den Revolver gehoben, und diesmal hatte ich keine Chance mehr, ihn rechtzeitig zu erreichen.
Der Knall des Schusses hallte wie eine abgefeuerte Kanone in dem engen Raum und wurde von einem noch gewaltigeren Bersten übertönt. Geistesgegenwärtig riß Priscylla das aus den SIEGELN gebildete Ding hoch. In einer gewaltigen Explosion barst es auseinander, als es von der Kugel getroffen wurde. Eine Feuerlohe fauchte mir entgegen und raste brüllend über mich hinweg. Ich spürte die Flammen wie die Berührung einer glühenden Hand auf meiner Haut.
Und im gleichen Moment zersplitterte die Welt!
* * *
Das Wesen schien aus gestaltgewordenem Nichts zu bestehen. Es war von absoluter Finsternis, aber weit mehr als nur Schatten und Dunkelheit. Wo es sich befand, klaffte ein Riß in der Wirklichkeit, ein in seiner Form unbeständig wallendes Etwas, in dem es nachtschwarz zuckte und waberte.
Der-der-hinter-den-Schatten-wandelt.
Nicht der Tod, denn Engel sind unsterblich, sondern ein tausendmal schlimmeres Wesen. Nicht einmal ein Geschöpf der Hölle, sondern eine absolut fremdartige Lebensform aus dem Abgrund jenseits der Sterne. Etwas, das sich am ehesten mit einem lebenden Tor vergleichen ließ, das jeden, den es verschlang, aus diesem Universum tilgte und ins absolute Nichts verbannte, eine Hölle ewigwährender Pein, von wo es keine Rückkehr mehr geben konnte. Es gab Schicksale, die schrecklicher waren als der Tod.
Shadow begann zu laufen und wußte doch, daß sie dem Wesen nicht entkommen konnte. Der-der-hinter-den-Schatten-wandelt gab niemals auf, wenn er sich einmal auf die Spur eines Opfers gesetzt hatte, und es gab keine Chance, ihn abzuschütteln. Er würde sie ewig hetzen, so lange, bis sie nicht mehr fliehen konnte. Aber sie mußte versuchen, Zeit zu gewinnen, bis die Gefahr durch die SIEGEL gebannt war.
So hastete sie durch die tote Wüstenlandschaft Kadaths, und wenn sie sich auch nicht umwandte, wußte sie doch, daß ihr Verfolger dicht hinter ihr war. In ihrer Verzweiflung wagte sie es, den anzurufen, dessen Namen verboten war und den Tod brachte. »Hastur, hilf!«
Wieder und wieder schrie sie es. Ihr Ruf hallte durch die Einöde der toten Welt und über ihre Grenzen hinaus.
Sie spürte, wie sie den Kontakt zu ihrem irdischen Diener verlor und ihr die Kontrolle über den Traum Robert Cravens entglitt. Auch dieser Versuch war fehlgeschlagen, und das Schicksal würde seinen Lauf nehmen, weil sie nicht mehr die Kraft besaß, noch einmal auf die Ereignisse einzuwirken.
In diesem Augenblick spürte sie, wie etwas sie packte und mit
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