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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Blitze und ein Erdbeben!«
    Der Bibliothekar schwieg eine Weile, um seine Worte auf die Mönche und die Kranken angemessen wirken zu lassen. Erst als ehrfürchtiges Schweigen eingetreten war, fuhr er mit ernster Stimme fort: »Ich wollte es eigentlich geheim halten, aber die Umstände erfordern wohl, dass es ans Licht kommt. Der Klosterrat vermutet schon lange, dass der unselige Vitalis mit seinem Novizenmeister ein, nun ja … widernatürliches Verhältnis hatte.«
    Erschrockene Rufe erklangen, doch Pater Benedikt hob gebieterisch die Hand, um weiterzusprechen. »Ja, die beiden waren gottverfluchte Sodomiten! Gut möglich also, dass der Herr oder einer seiner Engel die zwei Ketzer mit heiligem Feuer bestraft hat.«
    »Ach, und den Novizen Coelestin hat der Herr dann wohl vorsorglich ertränkt?«, fuhr Simon entrüstet dazwischen.
    »O Gott, nein. Was denkt Ihr!« Pater Benedikt blieb ruhig, ein leichtes Lächeln umspielte seine Lippen. Es machte ihm ganz offensichtlich Spaß, den ungläubigen Bader öffentlich vorzuführen. »Der arme Coelestin ist ganz schlicht von seinem Lehrmeister, Frater Johannes, umgebracht worden. Wahrscheinlich hat der Novize von Johannes’ Plan erfahren, den Uhrmacher zu ermorden. Die zwei hatten ja, wie wir alle wissen, des Öfteren Streit. Johannes konnte es einfach nicht ertragen, dass Virgilius der bessere Wissenschaftler war. Also hat er Virgilius erschlagen und den Mitwisser Coelestin zuvor ertränkt.« Benedikt hob die Hand wie ein Lehrmeister am Stehpult, während die übrigen Mönche wie gebannt an seinen Lippen hingen. »Damit ist dieser Fall wohl geklärt«, schloss er mit lauter Stimme. »Am Ende gab es zwei Verbrechen. Vitalis und Laurentius haben sich der Sodomie hingegeben und sind von Gott selbst gerichtet worden. Der Novize Coelestin wie auch Virgilius hingegen starben nicht durch Zauberei, sondern allein durch die Hand eines verruchten Mörders.«
    »Ein Mord, den Ihr nicht beweisen könnt«, warf Simon ein. »Die Leiche des Uhrmachers wurde schließlich nie entdeckt. Vielleicht lebt er ja noch?«
    Nun war es der Prior, der lächelte. Pater Jeremias fuhr sich genüsslich über die Zunge, bevor er zum letzten Stoß ansetzte.
    »Da muss ich Euch enttäuschen, werter Bader«, erwiderte er süffisant. »Virgilius’ bedauernswerte Überreste sind mittlerweile aufgetaucht. Frater Johannes hatte sie in den Brunnen des Klosterfriedhofs geworfen, wo sie justament heute früh gefunden wurden.« Er machte eine einladende Geste in Richtung Ausgang. »Ihr könnt einen Blick darauf werfen, Meister Fronwieser. Pater Benedikt wird Euch gern begleiten. Wir sollten Gott jedenfalls dafür danken, dass dieser Fall nun endlich geklärt ist und das leidige Schnüffeln ein Ende hat.«
    Andächtig schritt der Prior auf die Monstranz zu, verbeugte sich tief davor und trug sie schließlich mit erhobenen Händen zur Tür hinaus, wo die Reliquie mit lautem Jubel empfangen wurde.
    Die Heiligen Drei Hostien kehrten zurück in den Schoß der Kirche.
    Der Brunnen befand sich auf dem Friedhof gleich neben dem Kloster.
    Simon dachte an seinen gestrigen Aufenthalt hier. Noch immer strahlte der Ort mit den verwitterten Steinkreuzen und efeubewachsenen Grabhügeln eine Ruhe aus, die im krassen Gegensatz zum lärmenden Treiben jenseits seiner Mauern stand. Warm und hell schien die Sonne auf die vielen Grabsteine mit ihren verblassten Schriften, zwischen den Wegen wuchs das Gras so dicht wie sonst nirgends in der Gegend.
    Es heißt, dass Knochen einen guten Dünger abgeben , dachte Simon. Wie viele Mönche mögen hier in den letzten Jahrhunderten begraben worden sein?
    Sie hatten die Leiche gleich neben dem Brunnen ins Gras gelegt und ein Leintuch darüber gebreitet; Fliegen umschwirrten das Bündel, das so klein war, dass Simon darunter eher ein Kind als einen erwachsenen Mann vermutete. Als der Bibliothekar das Tuch mit spitzen Fingern zur Seite schlug, wusste der Medicus auch, warum.
    Der Körper des Mannes vor ihm war am ganzen Leib schwärzlich verbrannt, die Gestalt verkrümmt und gleich einer ausgedörrten Zwetschge zusammengeschrumpelt. Das, was vom Mund noch übrig war, stand offen wie zu einem letzten Schrei, die Zähne dahinter schimmerten gelblich weiß. Pater Benedikt bückte sich und hob ein verkohltes Stück Holz hoch. Erst auf den zweiten Blick erkannte Simon, dass es sich um den einst elfenbeinver­zierten Spazierstock von Virgilius handelte. Unter einer rußigen Schicht war der mittlerweile

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