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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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schmales Lächeln über das Gesicht des Weilheimer Scharfrichters. »Du bist mein großer Gewinn, Hexer, verstehst du?«, zischte er. »So was wie dich bekomm ich nur alle paar Jahre. Also halt jetzt deine Gosch’n und geh weiter. Und hör endlich auf, mein Freund sein zu wollen, Vetter !«
    Meister Hans spuckte auf den Boden, dann öffnete er die schwere, mit Holzbohlen verstärkte Tür am Ende der Treppe und trat ein.
    »Das meiste hier solltest du ja schon kennen«, sagte er teilnahmslos. »Was für ein glücklicher Zufall, dass ich einen Kollegen peinigen darf. Das erspart mir endlose Erklärungen.«
    Nepomuk sah sich um, und ein fiebriges Zittern ergriff sei nen ganzen Körper. Beschämt spürte er, wie ein warmes Rinn ­sal an seinen Beinen entlanglief.
    Sie waren in der Folterkammer angelangt.

Samstag, der 19. Juni Anno Domini 1666,
vormittags in Andechs
    u mpf vor sich hin brütend, eilte Simon den kurzen Weg vom Klosterbau zurück zum Hospital. Er bemerkte weder das Zwitschern der Vögel in den Bäumen über ihm noch die frommen Gesänge der Pilger. Auch den Streit mit Magdalena hatte er für den Moment vergessen. Seine Gedanken kreisten nur noch um den kranken Grafensohn.
    Simon ahnte: Wenn ihm nicht bald etwas einfiel, würde seine Karriere als Medicus schon bald an den Zinnen der Klostermauer enden.
    Den ganzen Morgen hatte er am Bett des jungen Wittels­bachers zugebracht, doch das Fieber des Buben war kein bisschen zurückgegangen. Schlimmer noch – wie bei vielen anderen seiner Patienten hatte der Medicus auch hier die roten Punkte auf der Brust entdeckt, die Girolamo Fracastoro in seinem Buch so detailliert beschrieb. Simon wusste mittlerweile, dass die Wahrscheinlichkeit, an dem Nervenfieber zu sterben, besondern bei Kindern außerordentlich hoch war. Damit war auch seine eigene Lebenserwartung dramatisch gesunken. Graf Wartenberg machte jedenfalls nicht den Eindruck, als würde er seine Drohung, einen über führten Quacksalber zu hängen, wieder zurücknehmen. Zur Sicherheit hatte Simon den Patrizier Jakob Schreevogl bei dem kranken Buben gelassen. Der Schongauer Ratsherr sollte ihm unverzüglich Bericht erstatten, wenn sich die Lage verschlechterte.
    Dabei war der Junge nicht Simons einziges Problem. Während der Medicus sich an den vielen Wallfahrern in den Gassen unterhalb des Klosters vorbeidrängte, fiel ihm erneut seine schmollende Frau ein. Magdalena war seit ­ihrem Streit gestern Mittag im Hospital verschlossen wie eine Flussmuschel, sie hatte nur das Nötigste mit ihm gesprochen und sich ansonsten ganz den Kindern gewidmet. Warum konnte sie nur nicht verstehen, dass ihm gar keine andere Wahl blieb!
    Ein plötzlicher Lärm riss Simon aus seinen trüben Gedanken. Es waren Schreie, die vom Hospital her kamen. Der Medicus beschleunigte seinen Schritt und sah schon bald eine Gruppe Mönche, die sich laut jammernd vor dem Eingang drängte. Zwischen sich trugen sie ein großes Bündel, und Simon begriff erst ein paar Augenblicke später, dass es sich um einen leblosen Menschen handelte. Offensichtlich war der Mann tot oder zumindest schwer verletzt, denn seine Mitbrüder schleppten ihn mit vereinten Kräften wie ein geschlachtetes Schwein hinein ins Hospital. Eine immer größer werdende Menge von Wallfahrern staute sich vor dem Eingang und versuchte einen Blick auf das Geschehen zu erhaschen.
    »Aus dem Weg, Leute!«, schrie Simon und schob herrisch die Gaffer zur Seite. »Ich bin der Arzt hier. Macht doch endlich Platz!«
    Widerwillig wichen die Menschen zurück und ließen den Medicus eintreten. Sofort schob Simon die Tür zu und verschloss sie mit einem schweren Balken. Von draußen waren zornige Rufe und wildes Klopfen zu hören.
    »Hat der Golem sich ein neues Opfer geholt?«, ertönte eine ängstliche Stimme. »Nicht wahr, es war der Golem!«
    »Ich hab die Wunden dieses Mannes gesehen!«, keifte eine Frau. »Ich schwöre euch, die waren nicht von dieser Welt!«
    »Leute, geht heim!«, versuchte Simon die Menge durch die Tür hindurch zu beruhigen. »Wenn wir Genaueres wissen, wird man euch das sicher mitteilen. Hier drinnen sind kranke Menschen. Ihr wollt euch doch sicherlich nicht anstecken?«
    Dieses letzte Argument schien die Gaffer zu überzeugen. Es folgten noch einige wütende Rufe, dann entfernte sich der Mob grummelnd.
    Simon eilte zu dem Verletzten, den die Benediktiner auf das nächstbeste leere Bett gehievt hatten. Die anderen Kran ken starrten mit schreckensweiten Augen

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