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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Familie des bayerischen Kurfürsten macht, ist fein raus.«
    Magdalena schnäuzte sich ausgiebig und nahm dann ­einen letzten tiefen Schluck aus ihrem Weinbecher. »Vermutlich werden sie dem Grafen irgendwelche Pilgerkerzen und Betbildchen andrehen, die der feine Herr dann für noch mehr Geld weiterverhökert«, murmelte sie. Sie stand auf, streckte ihre Glieder und warf ein paar Münzen auf den Tisch. »Und jetzt lass uns gehen. Die Semers haben mir dieses Gasthaus reichlich vergällt. Und du hast ohnehin noch diesen vermaledeiten Bericht zu schreiben.« Seufzend wandte sie sich zum Ausgang. »Kruzifix, dabei wollt ich doch wirklich nur in Andechs beten!«
    Draußen in einem dunklen Winkel vor der Klostergaststätte kauerte eine Gestalt in einer schwarzen Kutte und beobachtete argwöhnisch das Schongauer Ehepaar, wie es den steilen Berg hinab Richtung Erling schlenderte. Der Mann fluchte derb, ganz so, wie er es im Krieg gelernt hatte. Das Fluchen hatte ihm schon immer gutgetan, auch wenn es Gott verbot. Es half, die blutigen Bilder zu vertreiben. Trotzdem blieb ein Rest Unruhe.
    Seitdem dieser Bader und sein Mädchen aufgetaucht ­waren, ging alles drunter und drüber! Zuerst die missglückten Experimente, dann der tote Gehilfe und der Streit mit Virgilius – und was in Gottes Namen hatte das neugierige Weibsbild im Turm verloren gehabt? Hatte sie Verdacht geschöpft? Hatte sie dort oben etwas entdeckt?
    Der Mann lächelte und winkte beiläufig, als ein paar singende Wallfahrer an ihm vorbeizogen. Doch die Pilger wichen vor ihm zurück, so als spürten sie, dass von ihm kein Segen ausging. Er war die Angst der Leute bei seinem Anblick gewohnt. Früher war es sein Beruf gewesen, der sie das Fürchten lehrte, heute war es nur noch sein Gesicht. Die Fratze des Teufels im Gewand eines Mönchs, so hatten sie schon gelästert, seit er vor vielen Jahren die Profess empfangen und sein altes Leben abgestreift hatte. Doch sein Gesicht ließ sich nicht abstreifen.
    Ebenso wenig wie seine Vergangenheit.
    Wütend vor sich hin brummend wie eine fette Schmeißfliege, ging Frater Johannes zurück ins Apothekerhaus, wo ihn Sorgen, Gestank und eine verwesende Leiche erwarteten.
    Er wusste nicht, dass dies alles erst der Anfang war.
    *
    Unterdessen saß Jakob Kuisl am Katzenweiher unweit des Schongauer Henkershauses und schnitzte Flöten aus Schilf ­rohr für seine Enkel.
    Er hatte den Kleinen Dörrobst und ein paar kandierte Nüsse gekauft, die sie nun mit großem Appetit verspeisten. Ihre Münder waren verklebt von Honig, die Hände starrten vor Dreck und Ruß. Der Henker grinste. Gut, dass ihre Mutter sie so nicht sehen konnte.
    Bei dem Gedanken an die Kinder verfinsterte sich sein Gesicht plötzlich wieder. Nicht nur, dass seine Frau krank war, nun drohte auch noch seinen Enkeln Gefahr! Die Warnung von Hans Berchtholdt war unmissverständlich gewesen. Wenn Kuisl den Stadeldiebstahl dem Schongauer Gerichtsschreiber meldete, drohte den Kindern das Schlimmste. Und selbst wenn er nichts unternahm – Hans Berchtholdt hatte vor Rachedurst förmlich geglüht. Wer konnte garantieren, dass er den beiden Kleinen nicht in einem unbewachten Moment hier am Weiher oder unten am Lech auflauerte? Nur ein Stoß, und sie würden in Sekundenschnelle in den Fluten versinken.
    Grimmig zog der Henker den Tabakbeutel hervor und begann seine Pfeife zu stopfen. Wie immer, wenn er nachdachte, brauchte er jenes himmlische Kraut, das er sich jeden Monat von ein paar befreundeten Rottleuten aus Augsburg mitbringen ließ. Als die ersten Rauchschwaden gen Himmel stiegen, fühlte er sich bereits merklich ruhiger. Doch gleich darauf riss ihn das Geräusch von Schritten aus seinen Überlegungen.
    »Himmelherrgottnocheinmal, kann man denn hier nie seine Ruhe haben!«, brummte Kuisl.
    Er fuhr herum und sah seinen Sohn Georg zwischen den Weiden auftauchen. Noch immer trug der Junge die Steinschleuder in den Händen, mit der er vor ein paar Stunden die Berchtholdt-Brüder in die Flucht geschlagen hatte. Ihm folgte seine Schwester Barbara. Ihre schwarzen Locken fielen ihr ungebändigt auf die Schultern, unter der weißen Bluse zeigten sich die ersten Rundungen.
    Georg und Barbara waren Zwillinge, doch so verschieden wie nur möglich. Die leutselige Barbara besaß das gleiche vorlaute Mundwerk wie ihre ältere Schwester Magdalena und schien sich schon jetzt zu einer ebensolchen Schönheit zu entwickeln. Georg dagegen war klobig wie ein Stück unbehauenes Holz

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