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Der Hexer und die Henkerstochter

Der Hexer und die Henkerstochter

Titel: Der Hexer und die Henkerstochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Pötzsch
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Medicus pochte nervös auf den Tisch. »Irgendetwas stimmt nicht mit diesem Mönch. Aber er kann nicht der Mann im Turm gewesen sein. Zu dem Zeitpunkt war Johannes mit mir beim Abt.«
    »Du warst beim Abt?«
    Simon seufzte. »Du bist nicht die Einzige, die etwas erlebt hat. Wenn wir so weitermachen, rutschen wir wieder in so eine Geschichte hinein, und dein Vater zieht mir die Ohren lang, weil ich nicht auf dich aufgepasst habe. Bis morgen jedenfalls muss ich im Auftrag des Abts einen Bericht über ­einen möglichen Mord schreiben.«
    Aufgeregt berichtete er Magdalena von seinen Erlebnissen im Haus des Apothekers, beim Abt und bei dem selt­samen Uhrmacher. Danach blieb die Henkerstochter eine ganze Weile stumm sitzen. Schließlich schenkte sie sich aus dem Tonkrug einen weiteren Becher Wein ein.
    »Eine leibhaftige Frau als Automaten, die statt eines Herzens ein Glockenspiel hat!« Sie schüttelte sich sichtlich angewidert. »Du hast recht, dieser Uhrmacher Vir­gilius ist wirklich ein merkwürdiger Kauz. Ein grausiger Gedanke, dass jemand einer Puppe Leben einhauchen kann.«
    »So seltsam ist das gar nicht«, erwiderte Simon. »Ich habe davon gehört, dass es in Paris und Rotterdam viele solcher Automaten geben soll. Singende Vögel, lebensgroße Trommler, kleine Mohren, die Glocken schlagen … In der Hansestadt Bremen soll es sogar einen eisernen Wächter geben, der vor den Kaufleuten sein Visier hebt und salutiert.«
    »Trotzdem. Mir sind die echten Menschen lieber.« Magdalena runzelte plötzlich die Stirn und deutete mit einem Kopfnicken zur Tür. »Na ja, jedenfalls die meisten.«
    Mit erhobenen Häuptern betraten soeben der Schongauer Bürgermeister Karl Semer und sein Sohn die Gaststube. An ihrer Seite ging ein herausgeputzter Herr mit Spitzbart und weißem Kragen, einem gewaltigen breitkrempigen Hut auf dem Kopf und einem Zierdegen am Gürtel. Seine kalten Augen musterten die Gäste, als wären sie nichts weiter als lästige Motten. Schließlich schnippte  er mit dem Finger, und der Wirt näherte sich katzbuckelnd.
    »O Gott, die Semers!«, stöhnte Simon. »Heute bleibt uns auch wirklich nichts erspart. Sieht ganz so aus, als ­hätten sie einen Freund gefunden.«
    Der Wirt war währenddessen zu den neuen Gästen ge­treten. »Ah, der Herr Graf von Wartenberg!«, säuselte er und verbeugte sich so tief, als wollte er seinem Gegenüber die Schuhe putzen. »Welche Ehre, einen Abgesandten aus dem Hause Wittelsbach in meiner bescheidenen Herberge begrüßen zu dürfen. Es ist lange her, dass …«
    Mit einer ungeduldigen Handbewegung brachte der Herr mit dem Spitzbart den feisten Wirt zum Schweigen. »Hör Er auf, mir Honig um den Bart zu schmieren, und besorg Er uns lieber ein Séparée«, knurrte er ungehalten. »Ich habe mit diesen beiden Herren etwas Wichtiges zu besprechen.«
    »Ganz wie Ihr wünscht, ganz wie Ihr wünscht.«
    Unter weiteren tiefen Verbeugungen wies der Wirt dem Graf und den zwei Semers den Weg in einen abgetrennten Trakt der Taverne. Als der junge Sebastian Semer am Tisch von Magdalena und Simon vorbeikam, streifte er sie mit einem angewiderten Blick.
    »Schau mal, Vater«, näselte er. »Sogar billige Bader und Hen­kersdirnen verkehren heutzutage im Andechser Wirtshaus. Der Heilige Berg ist auch nicht mehr das, was er einmal war.«
    Karl Semer sah stirnrunzelnd auf die beiden Schongauer herab. »Ich glaube nicht, dass der Wirt weiß, wer sich in seinem Wirtshaus so alles herumtreibt, mein Sohn. In ­ meiner Gaststätte wäre so was jedenfalls nicht möglich. Ehrlose haben dort nichts verloren.« Ungeduldig fasste er seinen Filius an der Schulter. »Aber komm jetzt, wir haben Wichtigeres zu tun. Ich habe gehört, dass sie hier einen exquisiten, wenn auch teuren Tokaier ausschenken. Genau das Richtige für einen Geschäftsabschluss.«
    Die beiden verschwanden mit dem vornehmen Herrn im Seitentrakt. Simon sah zu Magdalena hinüber, die kalkweiß geworden war und sich auf die Lippe biss.
    »Dieses aufgeblasene Semer-Gezücht!«, zischte sie. »­Jakob Schreevogl hat mir schon erzählt, dass die beiden hier während des Dreihostienfestes den großen Reibach machen wollen. Schon allein ihr Anblick macht mich krank!«
    »Reg dich nicht immer so auf.« Simon strich ihr mitfühlend durchs Haar. »Du kannst es ohnehin nicht ändern. Ich möchte nur wissen, was die Semers mit einem echten Wittelsbacher zu tun haben. Wenn das stimmt, haben sie es wirklich geschafft. Wer Geschäfte mit der

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