Der Hexer und die Henkerstochter
verlegen die Hände am Rock glatt. »Ich werde wohl dann …«
»Was?« Virgilius musterte Simon wie einen Unbekannten, der soeben erst den Raum betreten hatte. »Oh, natürlich! Auch für mich war es eine Freude. Wenn Ihr mich jetzt bitte entschuldigt. Ich habe zu tun. Verflixt und zugenäht!« Erneut beugte er sich über den Rücken des Automaten, und Simon wandte sich dem Ausgang zu.
Als der Medicus hinaus ins Freie trat, blendete ihn die Sonn e und er musste die Augen abschirmen. Von drinnen ertönte noch immer das Gemurmel des Uhrmachers.
Nur kurze Zeit später setzte wieder die leise Melodie des Glockenspiels ein.
Magdalena nippte an ihrem Becher Gewürzwein und versuchte den Schrecken der vergangenen Stunde in den Griff zu bekommen. Noch immer etwas zittrig, lehnte sie sich auf der harten Eckbank zurück und beobachtete von dort aus das Treiben in der Klostertaverne, die sie aus einer plötzlichen Laune heraus aufgesucht hatte.
Jetzt um die Mittagszeit war das Gasthaus unten am Heiligen Berg brechend voll. Ein paar reich gekleidete Händ ler ließen sich Wildschweinkeulen und weißes Brot schmecken, der fettige Saft troff ihnen über Bart und Kinn. In einer Ecke saßen ein paar fromme Pilger über einer gemeinsamen Schüssel mit dampfendem Eintopf. Der Rauch von Tabak und Holzfeuer hing schwer über den Tischen, die Luft war erfüllt vom Summen und Brummen vieler einzelner Gespräche.
Nach ihrem Sturz vom Turm hatte Magdalena sich zunächst den besorgten Fragen von Jakob Schreevogl, dem Zimmermann Hemerle und einigen anderen Handwerkern stellen müssen. Das unerwartete Glockenläuten hatte die gesamte Baustelle in Aufruhr versetzt. Unter den Neugierigen befand sich auch Frater Johannes, der die Henkerstochter misstrauisch musterte. Daher beschränkte sie sich darauf, den verdutzten Männern zu erzählen, sie sei aus reiner Neugierde auf den Turm geklettert und dabei ausgerutscht. Noch wusste sie nicht, ob der hässliche Mönch nicht etwas mit dem Vorfall auf dem Turm zu tun hatte. Könnte Johannes vielleicht selbst der vermummte Fremde gewesen sein, der sie hinabgestoßen hatte?
Während sie den Klosterhügel hinabgetaumelt war, hatte Magdalena das einladende Schild mit dem Weinglas über der Tür gesehen und war kurzerhand im Gasthaus eingekehrt. Gerade wollte sie sich einen neuen Becher Wein einschenken, als sie plötzlich Simon in der Tür stehen sah. Der Blick des Medicus wanderte unruhig über die Gäste, bis er Magdalena in der Menge erkannte.
»Hier steckst du also!«, rief er erleichtert aus, als er ihren Tisch erreicht hatte. »Überall hab ich dich gesucht! Wolltest du nicht beim Schinder bleiben, bis ich mit den Kräutern zurückkomme?«
»Ach, und wann ist das?«, fauchte Magdalena zurück. »Am Sankt-Nimmerleins-Tag? Ich hab ja gewartet, aber du bist nicht mehr aufgetaucht!« Sie deutete auf den Krug mit Gewürzwein auf dem Tisch. »Diese Arznei hilft ohnehin mehr als Dost, Eisenkraut und die gesamte Minze aus dem Pfaffenwinkel zusammen. Die schütten hier so viele Kräuter in den Wein, dass du vom Dranriechen schon gesund wirst. Und jetzt setz dich endlich her und hör zu, was mir passiert ist.«
In hastigen Worten erzählte sie Simon von ihrem merkwürdigen Fund oben im Turm und dem Fremden, der sie in den Abgrund gestoßen hatte.
»Eine Bahre mit Eisenklammern und einem dicken Draht, sagst du?«, hakte Simon nach. »Was in Gottes Namen kann das sein?«
»Keine Ahnung. Jedenfalls nichts, was ans Licht kommen soll. Sonst hätte dieser Kerl in der Kutte nicht versucht, mich vom Turm zu stürzen.«
»Woher willst du wissen, dass er dich wirklich vom Turm stürzen wollte?«, wandte Simon ein. »Vielleicht hast du dort oben nur jemanden aufgeschreckt, der dann eilig die Flucht ergriffen hat.«
»Willst du damit sagen, dass ich mir das alles nur eingebildet habe?«
Simon hob entschuldigend die Hände. »Ich will nur nicht, dass wir wegen eines Verdachts falsche Schlüsse ziehen, das ist alles.«
Magdalena senkte ihre Stimme und sah sich verstohlen um. »Wenn du mich fragst, hat dieser hässliche Mönch Johannes seine Finger im Spiel. Weißt du noch, wie er gestern so merkwürdig geschaut hat, als ich ihm von dem Licht oben im Turm erzählt habe? Und erinnerst du dich an den Sack, den er bei sich trug?«
Simon runzelte die Stirn. »Ja, warum?«
»Da waren Eisenstangen drin! Genau solche, wie ich sie oben im Turm gesehen habe, nur kleiner!«
»Stimmt, du hast recht.« Der
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