Der Hexer von Hymal, Buch VIII - Freund und Feind
sich fast. So viele Dörfler hatte er nicht erwartet.
»Was ist hier passiert?«, wollte einer wissen.
»Wo ist der Graf?«, drängte ein anderer.
Was sollte er jetzt nur machen? Er konnte der Meute ja kaum auf die Nase binden, dass er ihren Grafen… beseitigt hatte. Er wusste auch nicht, ob es eine gute Idee war, den Leuten von dessen wahrer Natur zu berichten.
Der Dorfälteste! Wie hieß er doch gleich? Finulf! Am besten, er würde sich mit ihm beraten… und auch Fodaj! Ja, so gewann er zunächst etwas Zeit und konnte die Bürde mit den beiden teilen. Sollten sie doch entscheiden, was der Pöbel wissen durfte!
»Langsam, langsam«, beschwichtigte der Adept die Menge. »Wo ist Finulf? Ist Fodaj hier?«
»Nikko?«, fragte der Händler und bahnte sich den Weg durch die Menge nach vorn. »Was macht Ihr denn hier?«
»Wir sollten dies ganz in Ruhe besprechen«, lächelte der Junge. »Ist der Dorfälteste nicht hier?«
»Doch, doch«, keuchte Finulf, der noch mehr Schwierigkeiten hatte, sich nach vorne durchzukämpfen. »Hier bin ich.«
»Fodaj, hättet Ihr die Güte, uns Euer Domizil zur Beratung zur Verfügung zu stellen?«, bat der Adept. »Nur Finulf, Ihr und meine Wenigkeit zum Mittag?«
»Natürlich«, verbeugte sich der Händler.
»Was soll denn das?«, bellte ein Mann. »Wir wollen wissen, was hier los ist!«
»Genau!«, keifte eine Frau. »Wo ist unser Graf?«
»Ruhe!«, brüllte Finulf. »Ihr habt den Zauberer doch gehört.«
Dem hatte der Mob nichts entgegenzusetzen. Mit einem Magier wollte sich keiner der einfachen Leute anlegen.
»Ältester«, versuchte Nikko stark zu klingen, »lasst das Tor zur Burg strengstens bewachen. Niemand darf sie betreten!«
Der Adept hatte Tränen in den Augen, als er sich einige Zeit später zum Haus des Händlers aufmachte. Jetzt erst wurde es ihm klar, dass er den Nekromanten nie wieder sehen würde, dass er keine Lektion mehr von ihm erbitten konnte. Jetzt erst kam es ihm in den Sinn, wie sehr er den untoten Meister doch vermissen würde.
Sicherlich, er hatte sich gegen die Pläne des Grafen wehren müssen. Seinen Körper an ihn zu verlieren war eine ebenso wenig rosige Aussicht gewesen, wie seine Seele in den Fängen der Dämonen zu wissen. Gerade Letzteres hätte wohl ein Sklavendasein bis in alle Ewigkeit bedeutet.
Dennoch, er hatte beim Nekromanten unendlich viel gelernt. So schroff dieser auch manchmal gewesen war, nie hatte er ihm eine Lektion verwehrt! Auch wenn der Graf wohl nur so bereitwillig gewesen war, um Nikkos Körper an de n Umgang an seine Zauberei zu gewöhnen. Der Adept würde seinen Lehrer nie vergessen. Aus irgendwelchen Gründen hatte er ihm die üblen Pläne sogar schon verziehen.
Vielleicht hatte der Junge im tiefsten Innern nichts anderes erwartet. Wirklich getraut hatte er dem Nekromanten nie. Dieser selbst hatte den jungen Zauberer ja einst wegen seiner Vertrauensseligkeit gescholten.
Vielleicht aber hatte der Graf dies alles auch nur inszeniert. Er war des ewigen Lebens ja überdrüssig gewesen. So jedenfalls hatte er es behauptet. Hatte er den Jungen insgeheim dazu gebracht, im die ersehnte Ruhe zu bringen? Dass er dies mit einer deftigen Lektion fürs Leben verbunden hätte, sähe ihm schon ähnlich.
Nikko fühlte sich plötzlich so viel besser, dass sogar ein Lächeln den Weg auf seine Lippen fand . Es war schließlich egal, ob der Graf ihn hatte verrate n wollen. War dem so, hatte er seine gerechte Strafe erhalten. War dem nicht so, hatte er eben das erhalten, wonach er sich so gesehnt hatte. Er wäre aber mit der Gewissheit gegangen, einen würdigen Nachfolger zu haben.
Würde er je wieder einen Fuß in diese Burg setzen? Nikko durchschritt das sperrangelweit offene Tor vielleicht zum letzten Mal. Er wusste ja noch nicht einmal, was jetzt mit Skingár geschehen würde. Nicht unwahrscheinlich, dass der Herzog von Rhobany nun danach griff.
Das Tor zur Burg war von mehreren Kriegern bewacht, so wie der Adept es befohlen hatte. Draußen lauerten dutzende Gaffer, die wohl schon seit Stunden hier ausharrten. Warteten sie etwa auf Nikko?
Der Junge versuchte, die Meute mit Nichtbeachtung zu strafen. Doch war er sich nicht sicher, wie gut ihm dies gelang. Immerhin machten sie ihm Platz auf seinen Weg die Straße ins Dorf hinunter.
Nikko kam sich komisch vor, als er dem Weg weiter folgte. Die neugierigen Dörfler hatten mittlerweile ein Spalier gebildet und beäugten ihn, als hätte er zwei Köpfe. Als Zauberer war der
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