Der Highlander und der wilde Engel
und begutachtete die große Halle. Die saubere Streu bedeckte den gesamten Boden. Offenbar hatten die Männer genügend Binsen beisammen gehabt, bevor sie bei Domnalls Auftauchen mit dem Schneiden aufgehört hatten. Das sollte sie wohl nicht überraschen, denn immerhin waren dreißig wehrfähige Männer damit beschäftigt gewesen, und dies überaus eifrig.
Die Halle sah dadurch viel besser aus, obwohl die Wände nach wie vor eines frischen Kalkanstrichs bedurften, wie sie feststellte, als sie ihren Blick darübergleiten ließ. Und weitere Tische und Stühle mussten herbeigeschafft, die Wandbehänge gewaschen werden und ...
Averill gebot ihren Gedanken Einhalt. Der Gestank war fort und der Fußboden sauber. Alles Übrige konnte warten.
Sie wandte sich wieder zur Küche und stieß die Tür auf, um gleich darauf erneut stehen zu bleiben, als sie sich einer Horde Männer und Frauen gegenübersah, die lautstark aufeinander einredeten.
„Oh, Melady!“ Morag erblickte sie in der Tür und eilte zu ihr. „Braucht Ihr etwas? Möchtet Ihr essen? Alle anderen haben das Nachtmahl bereits hinter sich. Ich habe den Laird gefragt, ob ich Euch ein Tablett hinaufbringen soll. Doch er sagte, ich solle mir keine Umstände machen, er werde Euch für eine Pause hinunterschicken, wenn Ihr Hunger hättet, und solange für Euch bei Domnall wachen.
Als Ihr nicht kamt, dachte ich, Ihr wäret vielleicht eingeschlafen und er wolle Euch nicht wecken.“
Blinzelnd ließ Averill den Wortschwall über sich ergehen und rang sich ein Lächeln ab. „Aye. Nein. Ich bin hier, um ..." Sie schüttelte den Kopf und begann noch einmal von vorn. „Wer sind all diese Leute?“
„Sie sind der erste Stoß der heimkehrenden Knechte und Mägde“, erwiderte Morag lächelnd, während Averill die lebhafte Schar betrachtete. Bess war ebenfalls darunter, doch niemand, nicht einmal sie, hatte Averill bislang bemerkt.
„Oh.“ Neugierig musterte sie die Menge. „Aber warum sind sie alle hier?“
„Tja, sie haben uns über Euch und den Laird ausgefragt, und wir haben ihnen versichert, dass alles gut werde und sie bleiben sollten.“
„Und sie mit Lilys Pasteten bestochen, wie ich sehe“, sagte Averill amüsiert, als Lily ein Brett voller besagter Köstlichkeiten abstellte und die Menschen sich darum drängten, um welche zu erbeuten.
„Wir haben Euch und Domnall ein paar abgezweigt“, sagte Morag und fügte seufzend hinzu: „Sofern er je aufwacht, um sie genießen zu können.“
„Oh.“ Averill erinnerte dies an den Grund ihres Kommens. „Er ist wach“, berichtete sie. „Deshalb bin ich überhaupt hier. Ich wollte ihm etwas zu essen holen. “
„Wie schön!“ Morag strahlte regelrecht. „Wach und hungrig, das ist ein gutes Zeichen.“
„Aye“, pflichtete Averill ihr bei. Es war in der Tat ein gutes Zeichen. Der Mann würde schon bald wieder gesund und munter sein.
„Ich werde ein Tablett für ihn herrichten und anschließend auch eines für Euch. Das Eure stelle ich Euch dann in die Halle“, sagte die Magd, während sie bereits umherwuselte und Fleisch, Käse und Brot für Domnall zusammensuchte. Plötzlich hielt sie inne und warf Averill einen Blick zu. „Oder soll ich es Euch lieber in Euer Gemach bringen? Das tue ich gern, wenn Ihr müde seid. Schließlich habt Ihr Euch die ganze Zeit über um Domnall gekümmert. “
Als sie zögerte, weil das Angebot durchaus verlockend war, nickte Morag nur und machte sich wieder an die Arbeit. „Ich werde es Euch nach oben tragen, Melady“, sagte sie bestimmt.
„Das ist lieb von dir, Morag“, erwiderte Averill aufrichtig dankbar. „Ich weiß es zu schätzen.“
„Wirklich, ich tu’s gern“, versicherte Morag nochmals, beendete ihr Werk und reichte ihr das Tablett für Domnall. „Eures bringe ich Euch gleich.“
„Danke“, sagte Averill, schritt zum Ausgang und dankte der Magd noch einmal, als diese neben ihr erschien, um ihr die Tür zu öffnen.
Nach dem Trubel in der Küche wirkte die große Halle bedrückend still. Averill schaute sich um und fragte sich, weshalb sich all die Menschen in der Küche nicht hier draußen unterhielten, ehe ihr Blick auf die beiden einzigen Bänke fiel, die nicht im Rausch zu Kleinholz geworden waren. Es gab hier schlicht nicht genügend Sitzplätze. Und auch wenn die Leute freiwillig zurückgekehrt waren, dürften sie nach wie vor auf der Hut vor Brodie und dessen Vater sein, die trunken immer für einen Tumult gut waren. Sie argwöhnte, dass
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