Der Highlander und der wilde Engel
passiert?“
„Das werde ich Euch erklären, nachdem Ihr mir berichtet habt, was sich gestern Abend zugetragen hat“, entgegnete er, die Miene unnachgiebig.
Sie runzelte die Stirn. Mochte er auch noch so sehr behaupten, dass er nicht wütend war, so sagte sein Ton doch etwas anderes. Aber nun, da Brodie tot war, konnte sie es ihm genauso gut sagen, entschied sie und ließ sich in die Kissen zurücksinken. „Er war in unserer Kammer“, begann sie. „Nachdem ich Domnall gestern das Essen gebracht habe, wollte ich mich zurückziehen. Ich war erschöpft, und Morag hatte vorgeschlagen, ich könne doch im Schlafgemach essen, und angeboten, mir etwas hinaufzubringen. Als ich eintrat, war er plötzlich hinter mir. Er hat mir den Mund zugehalten, ehe ich schreien konnte, und sagte, er sei gekommen, um mich zu fragen, warum ich ihn vergiften wolle. Er habe schon geargwöhnt, dass etwas nicht stimme, als ihm ständig übel wurde, sagte er, doch mit Gewissheit habe er es erst gewusst, nachdem er den Whisky gestern im Wirtshaus vertragen habe, ohne dass sein Magen rebellierte. Er hat mich eine Mörderhure genannt, aufs Bett geschleudert, sich auf mich geworfen und ins Gesicht geschlagen.“ Sie schwieg kurz, weil sie mit sich rang, ob sie ihm auch beichten sollte, dass Brodie angedroht hatte, ihr Gewalt anzutun und sie anschließend umzubringen, entschied sich aber dagegen. Brodie war tot, und es würde Kade nur schmerzen.
Sie seufzte. „In dem Augenblick hat Morag ihn niedergeschlagen, und er ist ohnmächtig auf mir zusammengesunken.“
„Und was ist danach geschehen?“, bohrte er nach, als sie verstummte.
Averill zuckte mit den Achseln. „Gemeinsam haben Morag und ich es geschafft, ihn von mir herunterzuwälzen, und dann haben wir ihn einfach liegen lassen.“
„Aber er war zugedeckt“, wandte Kade ernst ein.
„Aye“, gab sie zu. „Ich beschloss, dass Ihr und ich in dieser Kammer hier nächtigen würden, und habe gemeinsam mit Bess das Bett frisch bezogen. Weil wir aber die Überwürfe vom alten Bett benötigten, haben wir Brodies Decken aus seiner Kammer geholt, ihn beiseitegerollt, um an unsere zu gelangen, und ihn, ehe wir gingen, mit seinen eigenen zugedeckt.“ Sie legte die Stirn in Falten. „Ich bin sicher, dass er da noch nicht tot war. Er war wie leblos, aber warm. Ihr glaubt doch nicht, dass meine Tinktur ihn umgebracht hat, oder?“
„Er wurde erstochen“, sagte er ruhig, was Averill erneut hochfahren ließ.
„Erstochen?“
„Aye, hinterrücks“, verkündete Will. Erst jetzt bemerkte sie ihren Bruder. Er stand auf der linken Bettseite, die sie aufgrund ihres blauen Auges nicht überblicken konnte. Sie musste den Kopf weit herumdrehen, um ihn anschauen zu können, ehe sie sich wieder Kade zuwandte. „Aber wer würde ihn erstechen wollen?“, fragte sie verwirrt.
„So gut wie jeder“, entgegnete er müde. „Er war nicht gerade beliebt.“
„Falls er überhaupt derjenige war, der sterben sollte“, warf Will ein. Als Averill und Kade ihn überrascht ansahen, zuckte er mit den Schultern. „Er lag in deinem Bett, Kade. Gut möglich, dass der Übeltäter geglaubt hat, du wärest es. Das wäre schließlich nicht der erste Anschlag auf dein Leben gewesen.“
„Aber bislang ist es stets außerhalb des Wohnturms geschehen“, wandte Averill rasch ein, noch nicht bereit hinzunehmen, dass dies ein weiterer Versuch gewesen sein könnte, Kade zu beseitigen.
„Der Vorfall mit dem Stein, der von der Wehrmauer gefallen ist und deinen Gemahl getroffen hat, hat sich nicht weit entfernt ereignet“, bemerkte Will.
„Aber es war immer noch außerhalb und nicht innerhalb des Wohnturms. Gewiss würde es doch kein Mordbube riskieren, hier drinnen umherzuschleichen und ...“ Sie verstummte, als Kade ihre Hand nahm und sie sanft drückte.
„Ich weiß, dass Ihr Euch nicht wohlfühlt bei dem Gedanken, dass er bis in unser Heim vorgedrungen ist, aber Will hat recht. Der Anschlag könnte durchaus mir gegolten haben, und das dürfen wir nicht außer Acht lassen. “
Sie nickte und senkte den Kopf. Sie musste sich eingestehen, dass es womöglich wirklich ihren Gemahl hatte treffen sollen. Wut wallte in ihr auf. Sie hob den Kopf, und ihr unversehrtes Auge funkelte wild. „Habt Ihr noch immer keinen Verdacht, wer Euch nach dem Leben trachten könnte?“, fragte sie. „Ihr müsst doch wissen, wer einen solchen Groll gegen Euch hegt und warum, dass er entschlossen ist, Euch zu töten.“
„Nay“,
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