Der Highlander und der wilde Engel
oben und Averill nach unten ging. „Ich dachte, Ihr würdet noch eine Weile schlafen.“ „Nein.“ Sie lächelte gequält und schüttelte den Kopf. „Ich bin wach und habe zu tun.“
Er zögerte. Sein Blick wanderte zu der Kammer, die der Treppe am nächsten lag. Gerade hatte er sein Morgenmahl beendet und die neuesten Ereignisse mit Will und Gawain beredet. Beide waren der Ansicht, dass Brodies Tod die Folge eines weiteren Mordanschlags auf ihn selbst war. Er neigte dazu, ihnen recht zu geben, und hatte beschlossen, des Nachts zwei Wachen vor seiner Kammer zu postieren, damit so etwas nicht noch einmal vorkam.
Will hatte angeraten, dass er sich künftig von zwei Kriegern als Leibwache begleiten lassen sollte. Der Gedanke missfiel ihm zwar, doch er hatte eingewilligt, um einen Streit abzuwenden. Allerdings hatte er sich geweigert, zwei von Wills Leuten dafür heranzuziehen. Er war nun ein Laird und hatte selbst genügend Männer, die diese Aufgabe versehen konnten. Will und Gawain hatten wiederum nicht akzeptiert, dass er den Wohnturm verließ, um Fergus zu suchen, der die Wachen einteilen sollte. Sie hatten darauf bestanden, dass er im Gebäude blieb, wo niemand ihn unter Mauerwerk begraben konnte. Sie würden Fergus holen, hatten sie gesagt und vorgeschlagen, dass er indes zu Domnall gehe und ihm vom Geschehenen berichten solle.
Dorthin war er nun auf dem Weg, als Averill auf dem oberen Treppenabsatz erschienen und ihm entgegengekommen war. Er betrachtete seine Frau. „Wünscht Ihr, dass ich Euch Gesellschaft leiste, während Ihr speist?“, bot er an.
Sie strahlte, als habe er ihr gerade die Sonne als Geschenk dargeboten, schüttelte aber den Kopf. „Vielen Dank, das ist nicht nötig, liebster Gemahl. Wie ich sehe, habt Ihr ein Ziel, und ich möchte Euch nicht aufhalten. Ohnehin wollte ich in der Küche nur schnell etwas zu mir nehmen und mit Morag sprechen, um dann Domnall sein Frühstück zu bringen.“
„Ich werde ihm sagen, dass Essen im Anmarsch ist“, erwiderte Kade.
„Dachte ich es mir doch, dass Ihr zu ihm wollt. Kann ich auch Euch etwas mitbringen?“
„Nay.“ Er neigte sich vor und dankte ihr mit einem Kuss für das umsichtige Angebot.
Sie stand zwei Stufen über ihm, sodass ihre Gesichter auf einer Höhe waren. Kade genoss es, sich zur Abwechslung einmal nicht hinunterbeugen zu müssen, um sie zu küssen. Bedeutete es doch, dass die Rückenverletzung dieses Mal nicht mit stechendem Schmerz protestierte, und unwillkürlich wurde sein Kuss drängender. Er ließ die Zunge zwischen ihre Lippen gleiten, während seine Hände wie von selbst zu ihren Brüsten wanderten.
Als Averill unter dieser Liebkosung leise aufstöhnte, war er versucht, seine gegenwärtigen Pläne fallen zu lassen und mit ihr in die Kammer zu entschwinden. Doch als sie die Arme um ihn schlang und dabei versehentlich die Wunde streifte, versteifte er sich und verwarf das Vorhaben schleunigst. Vielleicht konnte er es in die Tat umsetzen, nachdem er sich noch einen oder zwei Tage Ruhe gegönnt hatte, aber gewiss nicht jetzt.
Leise seufzend löste er sich von ihrem Mund und hielt sie fest, bis sie die Augen aufschlug. Mit dem Finger strich er ihr zärtlich über die Nase. Sie sah bezaubernd aus mit ihren geröteten Wangen und dem Verlangen in ihrem Gesicht.
„Ich muss ein paar Dinge erledigen“, sagte er entschuldigend, da er sie nicht wissen lassen wollte, dass sie ihm unbeabsichtigt wehgetan hatte.
Auch Averill seufzte, spähte hinab in die große Halle und hinüber zur Küchentür und nickte. „Ich auch.“ Sie sah ihn an und hob fragend eine Braue. „Wie war das, sollte ich Euch nun etwas mitbringen oder nicht?“
Kade lachte leise, geschmeichelt, weil ein Kuss von ihm sie so sehr von ihren Vorstellungen abbringen konnte. „Nay“, wiederholte er seine Antwort von eben, gab sie frei und schritt an ihr vorbei die Treppe hinauf. Als er sie gut gelaunt vor sich hinsummen hörte, während sie die Stufen nach unten nahm, lächelte er und setzte seinen Weg zu Domnalls Kammer fort. Er trat ein, ohne anzuklopfen.
Zunächst fiel sein Blick aufs Bett, und als er dieses leer vorfand, sah er sich um und entdeckte Domnall am Fenster, von wo aus er den Blick über den Burghof schweifen ließ wie ein König, der sein Reich in Augenschein nimmt. Es dauerte einen Augenblick, ehe er bemerkte, dass er nicht länger allein war, und sich umwandte. Zunächst schaute er nur flüchtig über die Schulter und drehte sich schon wieder
Weitere Kostenlose Bücher