Der Highlander und der wilde Engel
entgeistert hervor. Obwohl sie verheiratet gewesen war, schien sie nicht annähernd so erfahren zu sein wie die wesentlich jüngere Sally. Averill fragte sich, ob Bess nach dem Tod ihres Gemahls den Männern wohl abgeschworen hatte. Falls ihr Billy sie so wenig in Fahrt gebracht hatte, wie es durchgeklungen war, überraschte sie das nicht.
„Ach, hör schon auf, Bess“, beschwichtigte Ellie sie. „Sally hat recht. Das mögen sie in der Tat.“ Sie wandte sich Averill zu. „Aber einigen Frauen ist die Sache mit dem Mund zuwider, und solltet Ihr dazugehören, so tut es auch die Hand. “
Sie hatte keine Ahnung, ob sie dazugehörte oder nicht. Sie wusste noch nicht einmal genau, was sie mit dem Stecken im Mund veranstalten sollte. Womöglich meinte Sally eine ähnliche Behandlung, wie Kade sie ihren Brüsten hatte angedeihen lassen, an denen er gesogen und geknabbert hatte. Bevor sie sich jedoch eingehender damit befassen konnte, fuhr Ellie schon fort.
„Ihr solltet Eure Finger gut einölen, bis sie schlüpfrig sind, und dann nehmt Ihr den Stecken in die Hand und behandelt ihn so wie das Euter einer Kuh beim Melken“, erklärte sie, runzelte die Stirn und fügte an: „Nun, natürlich nicht genauso, aber so ähnlich. Dadurch sollte er hart werden und bereit für das Eigentliche.“
Averill umklammerte mit der Hand unwillkürlich das Tuch und drückte es ein wenig. Ellie nickte zufrieden. Sie sah ihre Aufgabe offenbar als beendet an, hob die Eimer wieder auf und schob Sally vor sich her zur Tür. Averill murmelte ein Danke und keuchte überrascht auf, als Bess ihr eine Ladung lauwarmes Wasser über den Kopf goss.
„Wir sollten Euch rasch waschen und herrichten, ehe Euer Vater noch Will heraufschickt, um zu sehen, wo Ihr bleibt. Wir haben so viel Zeit vertrödelt, dass der Priester vermutlich schon auf Euch wartet. “
Averill rieb sich das Wasser aus den Augen und schnitt eine Grimasse, während Bess sich daranmachte, ihr das Haar einzuseifen und dabei ordentlich Schaum schlug. Sie versuchte, sich zu entspannen, doch nun, da ihr die Sorge über die Hochzeitsnacht genommen war - wenigstens so weit wie möglich -, plagte sie erneut der Umstand, dass Kade sie in den vergangenen zwei Wochen gemieden hatte. Sie befürchtete ein weiteres Mal, dass er es sich anders überlegt haben mochte und sie nun doch nicht mehr zur Gemahlin nehmen wollte. Wenn das stimmte, war sie sich keineswegs sicher, ob er es von sich aus zugeben würde. Er war ein guter Freund ihres Bruders und würde ihn nicht beleidigen wollen, indem er sie zurückwies. Und auch die Freundlichkeit ihres Vaters würde er wohl kaum auf diese Weise vergelten wollen. Allerdings beabsichtigte sie nicht, ihn zu ehelichen, sofern er eine andere Ansicht gewonnen hatte. Es würde unerträglich sein, mutmaßte sie, mit jemandem verheiratet zu sein, den man mochte und anziehend fand, nur um von ihm nicht weiter beachtet zu werden.
Sie musste mit Kade sprechen.
„Sie lässt sich wahrlich Zeit“, sagte Kade angespannt und drehte sich auf seinem Platz an der Tafel, um noch einmal zur Treppe zu schauen und womöglich endlich seine verschollene Braut zu erspähen.
„Sie wird schon noch auftauchen“, beruhigte ihn Will. „Bestimmt gibt sie sich alle erdenkliche Mühe, sich so hübsch wie möglich für dich herauszuputzen.“
„Aye, aber inzwischen ist es fast Mittag“, beschwerte er sich. „Sollte es so lange dauern, sich hübsch zu machen?“ Will lachte leise ob des verstimmten Tonfalls. „Sie werden ihr gewiss das Haar waschen“, erklärte er. „Und anschließend bürsten, bis es trocken ist. Das wird schon eine Weile in Anspruch nehmen.“
Kade grummelte nur und starrte erneut in den Becher Apfelmost, der vor ihm auf dem Tisch stand. Entweder das, dachte er, oder sie hatte ihre Meinung geändert und wollte ihn nun doch nicht mehr heiraten. Bei diesem Gedanken legte sich ein verdrossener Zug um seinen Mund.
„Du siehst nicht gerade so aus, wie man sich einen glücklichen Bräutigam am Hochzeitstag vorstellt“, sagte Will belustigt.
„Kaum ein Bräutigam ist glücklich an seinem Hochzeitstag“, stellte Kade fest. Schließlich waren die meisten Vermählungen wenig mehr als eine vertragliche Übereinkunft zwischen zwei Familien - ein Bund, bei dem es um Gold, Land oder einen anderen Vorteil ging. Beinahe beneidete Kade all jene Männer, die ein solches Geschäft abschlossen. Sie jedenfalls saßen nicht auf glühenden Kohlen und fragten sich, ob die
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