Der Highlander und der wilde Engel
sah Bess den Gang entlang auf sich zukommen.
„Euer Gemahl hat Euch doch angewiesen, Euch nicht ohne ihn in die Nähe seines Vaters und seiner Brüder zu wagen. Was denkt Ihr Euch nur dabei, einfach hineinzugehen?“
Averill seufzte gereizt, weil sie sich hatte erwischen lassen, griff die Magd am Arm und zog sie vom Eingang fort. Bess hielt ihre Stimme gesenkt, und Averill glaubte nicht, dass auch nur einer hinter den Türen an diesem Ende des Gangs von dem leisen Geräusch aufwachen würde. Doch sie wollte nicht, dass Kade auf sie aufmerksam wurde.
„Ich bin nur kurz bei den dreien hineingeschlüpft und habe jedem einen Humpen Bier neben das Bett gestellt“, erklärte sie flüsternd. „Sie werden durstig sein, nachdem sie die ganze Nacht krank waren, und etwas trinken wollen, wenn sie aufwachen.“
„Bier, das Ihr mit Euren Kräutern versetzt habt“, mutmaßte Bess missbilligend. Als Averill das Gesicht verzog, es jedoch nicht abstritt, seufzte sie. „Und was, wenn Brodie wach geworden und Euch erneut angegangen wäre?“
„Ich bin dem Bett nicht so nahe gekommen, dass er mich hätte packen können“, versicherte Averill rasch. „Außerdem ist er ja nicht wach geworden, um irgendetwas zu versuchen, also ist doch alles gut. Und nun“, sie straffte die
Schultern und schob Bess auf die Treppe zu, „lass uns nach unten gehen. Kade möchte heute Met und Essensvorräte für die Burg auftreiben und wird es nicht gutheißen, wenn ich herumtrödele.“
Bess warf ihr einen schrägen Blick zu, während sie die Stufen hinab in die große Halle schritten. „Wie habt Ihr es geschafft, drei volle Becher Bier nach oben zu schmuggeln, ohne dass Euch jemand gesehen hat?“
„Mein Gemahl ist mit Will draußen, die beiden kümmern sich um die Pferde, und Laddie und die Mägde stellen die Küche auf den Kopf und schaffen Platz für all die Speisen und Getränke, mit denen wir hoffentlich zurückkehren werden. Sie sind so aus dem Häuschen, dass sie mich gar nicht bemerkt haben, als ich mich hinein- und gleich wieder hinausstahl.“ Kade hatte Laddie heute damit betraut, den Mägden zur Hand zu gehen, da Averill ja nicht da sein und seines Schutzes bedürfen würde. Doch sie vermutete, dass er bei ihrer Rückkehr sofort wieder an ihrer Seite sein werde.
„Und ich war aus dem Weg, weil ich in Eurer Kammer Ordnung gemacht habe“, fügte Bess beißend hinzu und schüttelte den Kopf. Sie hatten das Ende der Treppe erreicht und durchquerten die Halle. „Ihr erweist Euch als ganz schön ausgekocht, Mylady.“
„Oh, danke, Bess“, erwiderte sie vergnügt, was Bess noch einmal den Kopf schütteln ließ.
„Wünscht Ihr, dass ich in Eurer Abwesenheit etwas Bestimmtes erledige?“, erkundigte sich die Magd, als sie hinaus vor den Wohnturm traten und auf den Burghof hinabblickten, der voller müßiger Mortagne-Mannen war.
„In der Tat“, erwiderte sie entschlossen. „Die Binsenstreu mitsamt Unrat sollte endlich aus der Halle verschwinden.“ „Und wie soll ich das allein bewältigen?“, fragte Bess entsetzt, ehe ihr der seltsame Ausdruck auffiel, mit dem Averill die englischen Krieger betrachtete. „Oh, nay\ Ihr glaubt doch nicht im Ernst, dass diese Burschen etwas auf mein Wort geben und sich für mich die Hände schmutzig machen werden?“
„Doch, durchaus. Wenn Will es ihnen befiehlt“, entgegnete Averill. Sie schritt ihrem Bruder entgegen, der über den Hof auf den Wohnturm zukam, und rief seinen Namen.
„Ich kann’s nicht fassen, dass du meine Männer als Kammerzofen missbrauchst.“
Kade lächelte amüsiert, als Will, der links von ihm ritt, sich zum wiederholten Male beklagte. Er warf ihm einen Blick zu, ehe er zu seiner Gemahlin schaute, die rechts von ihm ungnädig schnalzte.
„Ich missbrauche deine dir teuren Männer keineswegs als Kammerzofen“, widersprach sie entschieden. „Kammerzofen sind nämlich nicht dafür zuständig, schäbige alte Binsen und anderen Schmutz aus einer Halle zu kehren. “
„Nun, Krieger auch nicht“, gab Will zurück.
„Und wenn schon, es ist ja nicht so, als hätten sie irgendetwas anderes zu tun“, stellte sie ungeduldig fest. „So sind sie wenigstens beschäftigt und können sich die Zeit vertreiben.“
Kopfschüttelnd überließ Kade die beiden ihrem Geplänkel. Es war nicht zu übersehen, dass sie Geschwister waren. Dass Averill Will gebeten hatte, seine Männer zum Säubern der großen Halle abzukommandieren, stand nun schon seit ihrem Aufbruch von
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