Der Himmel auf Erden
»gute Besserung«, als sei es ohne Bedeutung, ob er arbeitete oder nicht.
Er hatte dem Jungen gezeigt, wie man Straßenbahn fährt, die Gleise aufgezeichnet und die Route, die er am besten kannte, wo er sich am sichersten fühlte. Von seinem Fahrerfenster aus hatte er die Kindergartengelände gesehen und gedacht, dorthin werde er zurückkehren, mit den Kindern reden und sich um sie kümmern.
Genau wie er immer wieder ins Nordstan ging, wenn dort viele Menschen waren, die festlich erleuchteten Läden, Familien, Mütter und Väter mit Kinderwagen, um die SIE SICH NICHT KÜMMERTEN, die sie einfach stehen ließen, einfach stehen ließen. Was wäre passiert, wenn er nicht zur Stelle gewesen wäre? Wie jetzt? Was wäre mit Micke passiert?
So etwas war ja kaum auszudenken. Wenn das schlimmste Weihnachtsgedränge vorbei war, würden er und Micke auch dort langspazieren, wie alle anderen, Micke in seinem Wagen, und er würde ihn schieben. Er hatte Micke seinen Billy Boy gezeigt.
*
Die Pressekonferenz war wie üblich ein Chaos, aber diesmal war es schlimmer: Winter spürte den Gestank nach Angst, der folgen würde, wenn die Idio… die Journalisten, die sich hier versammelt hatten, ihre Texte veröffentlicht hatten.
Hier waren anständige Leute versammelt. Aber was würden sie tun? Eine Minute, nachdem sie diesen Raum verlassen hatten, würde er keinen Einfluss mehr haben. Er hatte übrigens schon keinen mehr, ehe sie hier hereinkamen.
Er sah Bülow zwei Reihen entfernt sitzen. Bülow hatte sich bisher anständig verhalten. Bei seiner eigenen Zunft würde er vielleicht für einen Verräter gehalten werden, aber seine Kompromissbereitschaft hatte seine Artikel besser gemacht als andere, und wahrhaftiger, falls ein solcher Ausdruck noch existierte.
Winter wurde von drei Fotoblitzen geblendet, die gleichzeitig aufflammten.
Noch einmal auf die Bühne. The show must go on. Birgersson hatte sich in der letzten Minute gedrückt. Große Konferenz beim Polizeidirektor, parallel mit der Pressekonferenz. Ich möchte wissen, was das bedeutet.
»Haben Sie schon eine Spur von dem Jungen?«, fragte eine Frau, die immer die ersten Fragen bei diesen Shows stellte und immer Artikel ohne eine Unze Wahrheit, ein Gramm Tatsachen und Glaubwürdigkeit schrieb.
»Wir bearbeiten gerade die Hinweise der Bevölkerung«, antwortete Winter. »Nach der Suchmeldung sind viele Informationen eingegangen.«
Allzu viele, dachte er, Tausende, die Männer mit kleinen Jungen in Buggys gesehen haben, in Autos, im Begriff, Häuser zu betreten oder zu verlassen, Geschäfte zu betreten oder zu verlassen, Warenhäuser, Autos, Straßenbahnen, Busse, in diesem Fall mehr denn je, weil alle vor dem großen Fest unterwegs waren.
»Haben Sie einen Verdächtigen?«, fragte dieselbe Frau, und jemand in der Gruppe von Journalisten grinste zynisch wie Halders manchmal grinste.
»Nein«, antwortete Winter.
»Sie müssen doch umfangreiche Karteien haben über Pädophile und andere, die sich an Kindern vergreifen«, fuhr die Frau fort. »Die Kinder entführen.«
»Wir wissen nicht… ob Micke entführt worden ist«, antwortete Winter.
»Wo ist er dann?«
»Das wissen wir nicht.«
»Dann ist er also aus seinem Wagen geklettert und einfach weggelaufen?«
»Wir wissen es nicht.«
»Was wissen Sie eigentlich?«
»Wir wissen, dass wir tun, was wir können, um den Jungen wieder nach Hause zu bringen«, antwortete Winter.
»Damit die Mutter ihn wieder allein lassen kann?«, fragte ein Journalist, der neben Hans Bülow saß.
Winter antwortete nicht.
»Wenn sie den Jungen nicht allein gelassen hätte, wäre das doch nicht passiert, oder?«
»Kein Kommentar«, sagte Winter.
»Wo ist sie jetzt?«
»Noch weitere Fragen?« Winter sah den Mann gar nicht an.
»Wie wollen Sie den Jungen jemals finden?«, fragte eine Frau, sie war noch jung und trug die Haare in langen dünnen Zöpfen. Vor langer Zeit hab ich solche Zöpfe schon mal gesehen, dachte Winter. Die machen alle jünger.
»Wir tun, wie gesagt, alles, was wir können«, antwortete er.
Ein Mann in der vierten Reihe hob die Hand. Jetzt kommt es, dachte Winter. Bis jetzt ist es ein Geheimnis für die Öffentlichkeit gewesen, damit ist nun Schluss. Ich sehe es in seinem Gesicht. Er weiß es.
»In welchem Zusammenhang steht dieses… Verschwinden damit, dass andere Kinder in den letzten Monaten von einem fremden Mann belästigt worden sind?«, fragte der Mann, und mehrere Köpfe drehten sich in seine
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