Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Himmel auf Erden

Der Himmel auf Erden

Titel: Der Himmel auf Erden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ake Edwardson
Vom Netzwerk:
Mund steckte. Er sah seine eigene rechte Hand, die sie berührte und sich rasch zurückzog, rasch, rasch. Wie wenn man Flaum berührt.
    Wie weich du bist, hatte der Onkel gesagt, du fühlst dich so weich an.
    Er hatte im Zug gesessen. Eine Tante im Zug hatte ihn gefragt, wohin er unterwegs sei. Er hatte gelacht.
    Mama!
    Mama! Sie hatte ihn auf dem Bahnhof erwartet, und die Stadt war groß gewesen. Wo er mit Papa wohnte, das war keine Stadt, aber diese war groß. Riesig.
    Mama!
    Mein Junge, hatte Mama gesagt. Das hier ist der Onkel, hatte sie gesagt.
    Der Onkel hatte ihm die Hand gegeben und eine Hand auf seinen Kopf gelegt.
    Mein Junge, hatte der Onkel gesagt.
    Der Onkel wohnt bei mir, hatte Mama gesagt. Oder du bei mir, hatte der Onkel gesagt, und sie hatten gelacht. Er hatte auch gelacht.
    Es hatte ein sehr gutes Mittagessen gegeben. Hier wirst du schlafen, hatte Mama gesagt.
    Am Morgen war sie zu ihrer Arbeit gegangen, die war weit entfernt, sehr weit.
    Wollen wir einen Spaziergang machen?, hatte der Onkel gefragt.
    Sie waren weit, weit in die eine Richtung gegangen und genauso weit zurück in die andere Richtung.
    Du frierst ja, hatte der Onkel gesagt, als sie wieder zu Hause ankamen.
    Komm, ich wärme dich, mein Junge. Wie weich du bist. Du fühlst dich so weich an.

6
    In einem fast aufgeräumten Ton erzählte er, was in jener Nacht vorgefallen war:
    Er konnte sich nicht erinnern, warum er beschlossen hatte, quer über den Fußballplatz zu laufen, obwohl so der Weg nach Hause ins Studentenheim länger wurde. Vielleicht hatte ein vergessener Fußball dagelegen und im Licht von der Straße geglänzt, und möglicherweise hatte er eine große Sehnsucht verspürt, dies verdammte Leder in das Tor zu setzen, das zwanzig Meter entfernt nur darauf wartete, ihn dort zu platzieren, nur um den Holzbeinen aus der Landesmannschaft zu zeigen, was eine Harke ist, und der ganzen Welt zu zeigen, dass er zu früh aufgegeben hatte, einfach aufgegeben, ehe seine Karriere richtig begonnen hatte.
    Vielleicht war es so. Aber vielleicht war es auch so gekommen, weil er auf einer Fete gewesen war. Jedenfalls war er quer über Mossens Sportplatz nach Hause gegangen, die Nacht war schon weit vorgerückt. Halb fünf. Er hatte einen armen Zeitungsboten mit krummem Rücken zwischen den Gebäuden hin- und herflitzen sehen, die hinter ihm aufragten. Zeitungen zum vierzigsten Stock raufschleppen. Morgen für Morgen, no thank you very much. Gutes Training zwar, aber das sollte zu einer christlichen Zeit stattfinden. Ein Zeitungsbote is the nigger of the world, hatte er gedacht und gegrinst und seine Laufrichtung korrigiert, die einen Linksdrall kriegte, wenn er nicht aufschaute oder vielleicht nach vorn zum Studentenheim, das düster und dunkel dalag in Erwartung des Morgengrauens, ein neuer Tag, der mehr Pauken und mehr Verrücktheiten versprach. Aber nicht für ihn, no thank you very much. Nur schlaaaafen, den ganzen Tag schlafen.
    Kein Urnen, keine Verrücktheiten, kein Regen im Nacken, kein ekliges Essen, keine zähen Vorlesungen, keine dreckigen Korridore, keine hochnäsigen Weiber.
    Genau das hatte er in dem Moment gedacht, als er erneut schwankte und nur dieses Sviiiisch hörte. Etwas zischte an seinem Kopf vorbei, der eine Viertelsekunde vorher noch in einer anderen Position gewesen war, etwas schlug vor ihm in der Erde ein und schien dort stecken zu bleiben, und er drehte den Kopf und sah die dunkle Gestalt, die an etwas in der Erde riss, das einen langen Gri… »Was zum Teu…«, hatte er mit zitternder Stimme hervorgebracht, und der andere hatte wieder an dem Griff gerissen oder was es nun war, und er selbst hatte es jetzt kapiert, gedauert hatte es, aber jetzt hatte er es kapiert: Das da war kein Erntehelfer, der plötzlich mit zwei Monaten Verspätung nach Kartoffeln grub, am absolut falschen Ort außerdem, denn jetzt zog der Kartoffelmann das Ding aus der Erde, und er hatte ihn vermutlich angesehen, aber davon hat er nicht viel mitgekriegt, da er in dem Augenblick schon über den Platz gesprintet war in einer Zeit, die Maurice Greene und Ato Boldon und all die anderen Krücken bei der Olympiade im Hundert-Meter-Lauf zum Aufgeben gebracht hätte. Der Kartoffelmann konnte nur noch seinen Rücken und die Beine sehen, auf dem Weg Gott weiß wohin, wo es Schutz gab. Er hatte keine Schritte hinter sich gehört, aber er hatte auch nicht darauf geachtet. Er war über die Straße gestürmt zwischen die kleinen Häuser und über die Straße

Weitere Kostenlose Bücher