Der Himmel auf Erden
Ringmar.
»Warum redest du nicht mal mit Hanne?«, fragte Winter.
Hanne Östergaard war Polizeipastorin. Sie arbeitete halbtags im Polizeipräsidium und hatte schon mehreren helfen können. Winter war sie eine große Stütze gewesen bei seinem Fall, der ihn sehr gequält hatte.
»Warum nicht«, seufzte Ringmar.
*
Am Nachmittag führte er ein Gespräch, aber nicht mit Hanne Östergaard.
Jens Book wurde durch Kissen gestützt, das sah nicht besonders bequem aus, aber er schüttelte den Kopf, als Ringmar ihm anbot, das Bett zu richten.
Da sind wir also wieder, hatte Ringmar gedacht, als er das Sahlgrensche Krankenhaus betrat. Weiße Kittel und Besucher wimmelten durcheinander.
Wir müssten ein Büro hier haben. Warum ist noch niemand darauf gekommen? Für die Idee krieg ich eine Prämie. Wir sind doch ständig hier, da braucht man ein bisschen Bequemlichkeit. Vielleicht einen eigenen Sekretär? Eine eigene Ärztemannschaft, auf deren weißen Rücken POLIZEI steht? Eigene Gymnastikstunde? Restaurant? Besprechungsräume, die mit Overheadprojektoren ausgerüstet sind? Fahrzeuge, eine Mischung aus Ambulanz und Einsatzwagen? Schießstand im Keller?
Er hatte den Aufzug voller Pläne betreten. Die Pläne des Jungen hingegen waren jäh durchkreuzt worden. Für eine Weile kein Publizistikstudium mehr, vielleicht nie mehr. Vielleicht kann er über die Behinderten-Weltmeisterschaft berichten, hatte Halders gesagt, und er war einer, der war nahe daran gewesen, selbst dort teilnehmen zu können.
Doch Jens Book kann sich wieder bewegen, es fing in der rechten Schulter an und setzte sich dann langsam den Körper abwärts fort. Es gab Leben und Hoffnung. Die Lähmung im Gesicht hatte nachgelassen, und deswegen konnten sie miteinander reden. Aber Ringmar war nicht sicher, worüber sie reden sollten. Man kriegte nicht auf alle Fragen eine Antwort.
»Glauben Sie, er ist auf einem Fahrrad gekommen?«, fragte er jetzt.
Der Junge schien nachzudenken. Er war auf dem Trottoir an dem Videoladen am Linnéplatsen vorbeigegangen. Wenig Verkehr, schwache Beleuchtung, Dunst überm Park und am Nachthimmel.
»Vielleicht«, sagte er. »Es ist ja so schnell gegangen.« Jens Book bewegte den Kopf auf dem Kissenberg. »Jedenfalls hab ich nichts gehört… oder gesehen… nichts, das mit Sicherheit darauf hindeutet… dass er auf einem Rad gekommen ist.«
»Nicht das Geringste?«
»Nein.«
Der Junge bewegte wieder den Kopf.
»Wie geht es?«, fragte Ringmar.
»Na ja…«
»Ich hab gehört, es geht aufwärts«, sagte Ringmar.
»Offenbar.«
»Können Sie die rechte Hand bewegen?«
»Ein wenig.«
»Bald können Sie mit den Zehen wackeln.«
Jens Book lächelte.
»Uns ist nicht ganz klar, wo Sie an jenem Abend gewesen sind«, sagte Ringmar.
»Äh… wie bitte?«
»Woher kamen Sie, als Sie niedergeschlagen wurden?«
»Was spielt das für eine Rolle?«
»Vielleicht wurden Sie von jemandem verfolgt.«
»Von dort? Das glaub ich nicht.«
»Von wo?«
»Hab ich nicht gesagt, dass ich auf einer Fete in der… Storgatan war? Etwas oberhalb vom Noon.«
»Doch.«
»Na also.«
»Aber nicht den ganzen Abend«, sagte Ringmar.
»Wie?«
Ringmar sah in sein Notizbuch. Die Seite war leer, aber manchmal war es gut, wenn man eine Angabe zu kontrollieren schien, »Sie haben das Fest zwei Stunden, bevor Sie am Linnéplatsen niedergeschlagen wurden, verlassen.«
»Wer sagt das?«
Ringmar schaute wieder in sein Notizbuch.
»Mehrere, mit denen wir gesprochen haben. Das ist kein Geheimnis.«
»Das klingt ja fast so, als würde ich wegen irgendwas verdächtigt.«
»Wer sagt das?«
»Es klingt eben so.«
»Ich möchte nur wissen, was Sie getan haben. Das werden Sie doch verstehen? Wenn wir den Täter finden wollen, müssen wir sozusagen auch Ihren Fußspuren folgen«, sagte Ringmar.
Verdammter bullshit, dachte er. Ich denke, wie meine Tochter redet.
Der Junge antwortete nicht.
»Haben Sie jemanden getroffen?«, fragte Ringmar.
»Selbst wenn es so wäre, hat das mit der Sache nichts zu tun.«
»Sie können es uns aber doch trotzdem sagen?«
»Was sagen?«
»Ob Sie jemanden getroffen haben«, sagte Ringmar.
»Ja und nein.« Jens Books Blick irrte durchs Zimmer. Ringmar nickte, als ob er es verstanden hätte.
*
»In welchem Jahr sind Sie?«, fragte Winter.
»Im zweiten.«
»Meine Frau ist Ärztin.«
»Aha.«
»Allgemeinmedizin.«
»Das hab ich auch im Auge.«
»Nicht Hirnchirurg?«
»Vielleicht sollte ich umdenken nach dem hier«,
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