Der Himmel auf Erden
Autofahrer überfahren worden, der Fahrerflucht begangen hatte, und gestorben. Wie lange war das jetzt her? Anfang Juni war es gewesen, daran erinnerte er sich. Die Abiturexamen hatten Mitte Mai stattgefunden, aber seine Kinder waren die letzten Tage noch zur Schule gegangen. Es war heiß gewesen wie die Hölle, und eine Hölle war es geblieben.
Schließlich hatten sie den Mistkerl gefunden. Halders hatte selbst versucht, ihn zu finden, aber es war ihm nicht gelungen. Dann war er im Dienst verletzt worden. Idiotisch verletzt. Verursacht von einem Idioten, wie er es selber war. Nein, dachte er jetzt, während Aneta ihn wie ein Profi knetete. Das war ich nicht, nicht damals. Es war jemand anders.
Der verfluchte Fahrer war eine traurige Gestalt gewesen, nicht wert, ihn totzuschlagen. Als Halders ihn sah, viel später, bedeutete er ihm nichts mehr. Er spürte keinen Hass. Er hatte keine Kraft dafür und Zeit. Die Kraft, die er noch hatte, brauchte er für die Kinder, die langsam begriffen, was mit ihrem Leben passiert war. Nichts würde wie vorher sein. Margaretas Stimme war nicht mehr da, ihr Körper und ihre Bewegungen. Sie waren geschieden gewesen, er und Margareta, aber auch das spielte keine Rolle mehr.
Mama ist im Himmel, sagte Magda manchmal.
Ihr großer Bruder schaute sie dann an, ohne einen Kommentar dazu abzugeben.
Vielleicht glaubt er ihr nicht, dachte Halders, wenn er da am Küchentisch saß. Glaubt nicht an den Himmel. Der Himmel ist nur etwas, das wir von der Erde aus sehen können. Da oben ist dasselbe wie hier unten. Meistens Luft und Regen und große Entfernungen in alle Richtungen.
»Wie fühlst du dich jetzt?«, fragte Aneta Djanali. Slow down my beating heart, sang Bono mit einer Stimme, die schwarz sein könnte, schwarz wie Anetas Hände, die er auf seinen Schultern sah. Eine Hand über der Brust. Slow down my beating heart.
»Lass uns ins Bett gehen«, sagte er.
*
Angela fuhr durch den Regen. Jetzt war es wirklich Abend, obwohl der Übergang fast unmerklich gewesen war. Sie lächelte. Bald ist Dezember und es würde schön sein, über Weihnachten freizuhaben. Die Arbeit mit den Patienten wurde schwerer. Sie wurden müder, wenn sich das Jahr seinem Ende näherte, und auch sie wurde müder. Sie hatte es geschafft, zwischen den Feiertagen freizubekommen. Erik hatte schon früher mal was von der Costa del Sol gemurmelt. Sie hatte gehofft, das Siv anrufen würde. Sie kam gut aus mit Siv. Sie hatte auch nichts gegen einen blauen Himmel und etwas Sonne und ein Glas Wein und auf Holzkohle gegrillte Langusten.
Aber erst einige Besorgungen im Haga-Einkaufszentrum. Dort war heute Abend bis acht geöffnet.
Sie fuhr über den Linnéplatsen und die Linnégatan hinunter und schaute in den Rückspiegel. Sie sah Blaulicht rotieren, plötzlich, geräuschlos, als ob hinter ihr lautlos ein Hubschrauber gelandet wäre.
Der Streifenwagen blieb hinter ihr. Was mag das für ein Einsatz sein?, dachte sie. Hier kann ich nicht an den Straßenrand fahren, um sie vorbeizulassen. Jetzt stellten sie die Sirene an. Ja, ja, ich werde aus dem Weg fahren, sobald ich kann.
Sie sah eine Lücke vorm Schnapsladen und bog dort ein. Der Streifenwagen hielt hinter ihr. Das Blaulicht rotierte immer noch, als ob etwas Ernstes passiert wäre. Sie sah keine Menschen auf dem Trottoir.
Im Rückspiegel sah sie einen Polizisten aussteigen und ihr wurde ganz kalt. Sie war stumm, erfüllt von Angst, denn alles, was sie vor noch gar nicht langer Zeit erlebt hatte, kehrte zurück, die Erinnerungen waren da wie Strahlen von Licht, das kreiste. Sie war… gekidnappt worden von einem Mann in Polizeiuniform. Sie war von jemandem gestoppt worden, den sie für einen Polizisten gehalten hatte, und Elsa hatte in ihrem Bauch…
Es klopfte an ihrer Scheibe und sie sah seinen schwarzen Handschuh. Sie wollte nicht hinschauen. Wieder klopfte es und sie schaute hin, hastig, sah seine Geste: Drehen Sie die Fensterscheibe runter.
Sie tastete nach dem Hebel an der Tür, fand ihn aber nicht. Jetzt. Das Fenster ging ruckartig herunter.
»Haben Sie in der Fahrschule nicht gelernt, dass Sie anhalten müssen, wenn die Polizei kommt?«, fragte er mit ruppigem Tonfall.
Sie antwortete nicht. Sie dachte: Haben Sie nicht ein bisschen Höflichkeit und Benehmen auf der Polizeischule gelernt? Sind Sie überhaupt zur Schule gegangen? Wenigstens zur Grundschule?
»Wir sind Ihnen lange gefolgt«, sagte er.
»Ich hab… nicht gedacht, dass es mir gilt«, sagte
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