Der Himmel auf Erden
weg.«
»Gab es da einen Zusammenhang?«
»Ich habe sie das auch gefragt, und sie sagte, es sei zum selben Zeitpunkt verschwunden. Und dass es im Prinzip unmöglich war, dass dieser Gegenstand von allein herausfallen könnte und das Mädchen ihn kaum selbst hervorgenommen hat.«
»Vielleicht wusste das Kind nicht einmal etwas davon«, sagte Winter. Ich muss Lena Sköld fragen, dachte er.
»Nein. Die Mutter sagte, das Ding soll Glück bringen oder so was. Es hat ihr gehört, als sie klein war.«
»Und jetzt ist es also weg.«
»Das hat sie damals jedenfalls gesagt. Ob es doch wieder aufgetaucht ist, weiß ich natürlich nicht.«
»Ich werde mit ihr sprechen.«
»Warum fragen Sie mich danach?«, fragte Alinder. »Und wo haben Sie erfahren, dass sie hier angerufen hat?«
»Meine Partnerin hat sie auf einer Elternversammlung getroffen«, sagte Winter. »Unsere Kinder sind im selben Kindergarten. Vielen Dank für Ihre Hilfe.«
»Warum interessiert Sie das eigentlich?«, fragte Alinder.
»Ich weiß noch nicht genau«, antwortete Winter. »Ich hab so eine Idee.«
»Ich hab ja von dem kleinen Jungen gehört«, sagte Alinder.
»Was haben Sie gehört?«
»Einfach vom Spielplatz entführt. Hab ich kürzlich im Internet gesehen. So eine Scheiße. Wie geht es ihm?«
»Er ist stumm«, antwortete Winter, »sagt kein Wort. Aber seine Augen sind wieder in Ordnung.«
»Sehen Sie da wirklich einen Zusammenhang? Zwischen dem Anruf der Frau und dem, was dem Jungen passiert ist?«
»Was meinen Sie denn selber?«
»Tja… ich hab Ihren Fall ja gerade erst auf den Tisch bekommen. Spätestens jetzt hätte ich wohl angefangen nachzudenken. Ich weiß nicht. Vielleicht hätte ich mich demnächst bei Ihnen gemeldet. Vielleicht auch nicht. Aber die Notiz liegt hier ja vor.«
»Mehr solcher Anrufe haben Sie nicht bekommen? Oder jemand anders in Ihrem Revier?«
»Ich nicht, und von den anderen hab ich nichts gehört, aber ich kann ja mal nachfragen.«
»Okay, also vielen Dank noch mal.« Winter legte auf.
Er rief Lena Sköld an. Eine halbe Stunde später trafen sie sich in ihrer Wohnung. Ellen saß am Tisch und malte einen Schneemann.
»Hat sie schon mal Schnee gesehen?«, fragte Winter.
»Als sie ein Jahr alt war. Er ist drei Tage lang liegen geblieben«, antwortete Lena Sköld.
Das Klima an der Westküste, und jetzt ist es milder denn je, dachte Winter. Bald wachsen Palmen an der Avenyn.
»Das sieht ja aus wie ein richtiger Schneemann«, sagte er. »Meine Elsa ist noch ein wenig jünger, aber wenn sie so was zustande bringt, bin ich richtig stolz.«
»Möchten Sie eine Tasse Kaffee?«
»Bitte.«
»Sie können ja schon mal Ihre Fragen stellen, während ich die Kaffeemaschine anmache.«
Sie erhob sich. Winter blieb am Küchentisch sitzen, Ellen gegenüber, die eine neue Zeichnung angefangen hatte. Er sah etwas, das ein auf den Kopf gestelltes Auto darstellen könnte.
Kinder und Zeichnungen. Er dachte an den Fall Helene, der Fall der toten Frau, der für sie so lange anonym geblieben war. Ihr Gesicht in der Dämmerung in einem Graben am Delsjön, ihre entblößten Zähne, der offene Mund, wie ein Ruf aus weiter Ferne, und er hatte in der Zeit gesucht, die Vergangenheit hatte Schatten auf die Zukunft geworfen, und in der Dunkelheit war die Wahrheit verborgen. Die einzigen Wegweiser, die ihm zur Verfügung gestanden hatten, waren die Zeichnungen eines Kindes gewesen. Das Kind sah, was es sah, und zeichnete dann seine Erinnerungen auf.
Erinnerungen konnten sich öffnen wie Tore, und er konnte eintreten, oder ein anderer konnte eintreten. Jemand anders könnte ihm zuvorkommen, und das wäre gleichzusetzen mit dem Abgrund. Er hatte es schon einmal gesehen. Wenn sich die Erinnerung öffnete, könnte es zu einer Katastrophe führen, der endgültigen.
Wenn er nicht rechtzeitig zur Stelle war.
Warum denke ich das gerade jetzt? Die Zeichnung, ja. Aber da war noch etwas anderes. Hängt das alles mit einer Erinnerung zusammen?
»Ein Auto«, sagte er zu Ellen.
Sie nickte.
»Ein großes Auto.«
Wieder nickte sie, zeichnete Räder.
»So eine Zeichnung hat sie auch gemacht, als sie nach Hause kam und von dem Fremden erzählt hat«, sagte Lena Sköld.
Sie trat mit zwei Kaffeebechern und einer kleinen Milchkanne an den Tisch.
»Haben Sie die noch?«
»Na klar. Ich bewahre alle ihre kleinen Kunstwerke auf.«
»Ich würde sie mir später gern ansehen.«
»Warum?«
»Ich weiß es nicht. Vielleicht fällt mir etwas auf, das
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