Der Himmel schweigt
betrachtete die Karten Northwinds und die Daten im Computer des Galaxiscommanders. Sie suchte nach einer brauchbaren Strategie. Der Charakter des gegnerischen Kommandeurs war in dieser Frage immer ein wichtiger Faktor. Auch hier hatte sie gute und schlechte Nachrichten. Laut Kal Radicks neuesten Geheimdienstberichten befand sich Präfektin Tara Campbell auf Northwind und wurde von einem Paladin der Sphäre unterstützt. Northwind war Tara Campbells Heimatwelt und sie war die planetare Gräfin. Das bedeutete: Sie besaß eine starke Beziehung zu diesem Planeten und konnte auf die Loyalität seiner Truppen zählen. Wenn man dazu noch die Autorität und Möglichkeiten eines Paladins rechnete und den positiven Einfluss auf die Kampfmoral durch seine Anwesenheit, konnte das Ergebnis Schwierigkeiten für die Angreifer bedeuten.
Andererseits verhieß ein geteilter Oberbefehl reichlich Potenzial für Konflikte im Lager der Verteidiger. Offiziell war der Paladin ranghöher als die Präfektin und konnte deren Befehle widerrufen, falls er das wollte. Falls es den beiden nicht gelungen war, sich zu einer funktionierenden Partnerschaft zusammenzuraufen, würden sie genauso viel Zeit im Zweikampf miteinander verbringen wie bei der Abwehr der Invasoren, und darunter würden Abwehrbemühungen und Kampfmoral leiden.
Anastasia Kerensky konnte ein gewisses Maß an gerechtfertigter Verachtung nicht unterdrücken, als sie über diese Situation nachdachte. Bei den Clans hätte man es niemals so weit kommen lassen. Es hätte einen Test gegeben, und damit war die Frage des Oberbefehls entschieden. So oder so.
Die Präfektin blieb eine weitgehend unbekannte Größe. Natürlich war ihre öffentliche Laufbahn bekannt, aber die zeigte nur die Ober-fläche, nur Worte und Aktionen, nicht aber die Beweggründe, die hinter ihnen steckten. Zum Beispiel Tara Campbells hitziger Wortwechsel mit Kal Radick, kurz bevor das HPG-Netz ausgefallen war. Ihre Bemerkungen konnten entweder eine bewusste Beleidigung gewesen sein oder eine unbeabsichtigte, je nachdem, ob die Präfektin waghalsig aggressiv war oder nur temperamentvoll und etwas naiv.
Nicht dass irgendeine dieser Alternativen dafür spräche, dass die Countess eine großartige Strategin ist, dachte Anastasia schmunzelnd. Der Paladin andererseits war beinahe garantiert ein bewährter Krieger und Kommandeur. Wieder hing viel davon ab, wie gut die Präfektin und er zusammenarbeiten konnten.
Anastasia war nicht so dumm, sich auf Unfähigkeit und Zerstrit-tenheit ihrer Gegner zu verlassen. Sie würde davon ausgehen, dass Tara Campbell und ihr Paladin zu einer Übereinkunft gefunden hatten und ihre Pläne entsprechend anlegen.
Vierundzwanzig Stunden vor Erreichen des Planeten rief sie ihre hohen Offiziere in der Taktikzentrale der Lupus zusammen. Als sie eintrafen, erwartete sie auf dem Kartentisch bereits eine beschriftete Weltkarte Northwinds: Der Hauptkontinent New Lanark; die zweite, fast ebenso große Landmasse, das rohstoffreiche Kearny, und Ha-lidon, der dritte und kleinste der Kontinente.
Sie klopfte auf den Tisch, um die Aufmerksamkeit der Offiziere zu erregen. »Seht es euch gut an«, befahl sie. »Das ist unser Ziel.«
Ihre Sterncolonels versammelten sich um den Tisch. Sie war etwas überrascht, Nicholas Darwin unter ihnen zu sehen, auch wenn weder er noch sie einen Blick wechselten oder sich irgendeine andere Reaktion auf die Begegnung gestatteten. Sie hatten keine Gelegenheit zu einem Gespräch oder einer Paarung gehabt, seit die Streitmacht an Bord der Landungsschiffe gegangen war. Sie nahm an, dass Darwin bei den anderen Panzeroffizieren schlief, während sie, wie es sich für einen Galaxiscommander gehörte, den Luxus eines Privatquartiers genoss.
Vor allem aber hatte sie nichts von seinem Aufstieg zum Sternco-lonel gewusst. Der Positionstest musste während des Fluges stattgefunden haben. Offensichtlich hatte es sich um einen Routinetest gehandelt. Es war zu keinerlei außergewöhnlichen Zwischenfällen gekommen, die es erforderlich gemacht hätten, den Galaxiscommander damit zu behelligen.
Sie nahm sich vor, auf diese Entwicklung erst später einzugehen. Wenn die Kämpfe auf Northwind vorüber waren, würde sich eine Gelegenheit finden, Nicholas gebührend zu gratulieren. Jetzt setzte sie ihre Ansprache fort.
»Unsere generelle Strategie sieht wie folgt aus. Falls nötig, können wir sie noch verändern und an aktuelle Informationen und neue Gegebenheiten anpassen, aber die
Weitere Kostenlose Bücher