Der Himmel schweigt
Radicks Erstickungsversuch angeschwollen. Außer ihrer Stimme aber war im ganzen Saal kein Laut zu hören.
»Jetzt bin ich der Galaxiscommander. Ich, Anastasia .«
»Kerensky!«, brüllte eine Stimme außerhalb des Kreises. Dann antwortete ein ganzer Chor. »Kerensky!«, stieg es vielstimmig zur Decke.
»Ja«, bestätigte Anastasia. »Wir waren zu lange stumm, meine
Wölfe. Aber bald werden uns alle Welten heulen hören, selbst Terra.«
Sie stand auf. Sie gestattete sich nicht zu wanken, obwohl sich der Saal vor ihren Augen drehte. Sie ging los, verließ den Kreis. »Ich gehe in mein Quartier«, erklärte sie. »Sterncolonels, meldet euch heute Abend bei mir. Ich will wissen, wie schnell wir zu Gefechtsoperationen bereit sein können. Unser Ziel ist nicht mehr Small World. Wir greifen Northwind an.«
Stahlwolf-Landungsschiff Lupus, am Sprungpunkt des Northwind-Systems
Präfektur III, Republik der Sphäre
Juni 3133
Wenn es um eine militärische Operation von der Größe einer planetaren Invasion Northwinds ging, brauchte selbst eine bereits auf den Angriff Small Worlds vorbereitete Stahlwolf-Streitmacht eine gewisse Vorbereitungszeit. Als die Stahlwölfe Tigress verließen, waren Anastasia Kerenskys Verletzungen vom Zweikampf mit Kal Radick im Abklingen, auch wenn ihre linke Hand noch geschient war. Diese Verletzung bedeutete jedoch nichts. Sie brauchte die betroffenen Finger weder zur Planung der Kampfstrategie noch zum Steuern ihres Mechs, also ignorierte sie den Verband.
Während des Fluges an Bord der Lupus bemühte sie sich, so viele Einheiten der Stahlwolf-Invasionsstreitmacht wie möglich zu besuchen und mit ihnen zu reden. Sie wollte sehen und gesehen werden. Ihre Leute sollten mit eigenen Augen feststellen, dass ihr neuer Galaxiscommander nichts mit dem alten gemein hatte. Außerdem vermittelte ihr dieser Kennenlernprozess ein besseres Bild von der Stärke und Zusammensetzung der Invasionsstreitmacht, als es bloße Zahlen und Worte in einer Aufstellung oder Computerdatei gekonnt hätten. Die Stahlwölfe verfügten noch über andere Kräfte in der Präfektur, die mit weiteren Missionen beschäftigt waren. Doch um die würde sie sich später kümmern.
Was sie zu Tage förderte, war sowohl gut als auch schlecht. Auf der schlechten Seite verfügten die Wölfe - wie so ziemlich jeder in diesen Tagen - über mehr ausgebildete MechKrieger als Battle-Mechs, mit denen sie in den Kampf hätten ziehen können. Die Invasionsstreitmacht verfügte neben ihrem eigenen Ryoken II über einen Koshi, einen Katamaran und ein Katapult. Der Rest der MechKrieger musste sich mit umgerüsteten Industrie- und ForstMechs zufrieden geben. Der bloße Gedanke widerte sie an. Soweit es sie betraf, hätten die Wölfe ihre BattleMechs nie aufgeben dürfen, ganz gleich, was Devlin Stone ihnen im Gegenzug versprochen hatte.
Aber wenigstens besaßen die Stahlwölfe mehr als genug Panzer und andere Fahrzeuge, Truppentransporter ebenso wie Schützenpanzer. Eine weitere angenehme Überraschung war von persönlicherer Natur: Es stellte sich heraus, dass Nicholas Darwin über eine ausgezeichnete Gefechtsstatistik verfügte und den Respekt seiner Kameraden bei den Panzertruppen genoss.
Das ließ sich ausnutzen. Falls sie sich entschied, ihn zu befördern -und sie spielte mit dem Gedanken -, konnte sie sich der Loyalität zumindest eines Sterncolonels bei den bevorstehenden Gefechten sicher sein. Was die Gefahr einer gewollten oder ungewollten Sabotage ihrer Pläne reduzierte und die Chance erhöhte, dass man sie tatsächlich verstand.
Sie hätte mehr Luft/Raumkräfte gebrauchen können. Aber Radick und seine Favoriten hatten diese Elemente in den letzten Feldzügen geradezu verheizt. Dadurch hatten die Stahlwölfe zwar genug Hubschrauber zur direkten Luftunterstützung und genug Luft/Raumjäger, um entweder die Luftabwehr über Tara auszuschalten oder ihre Landungsschiffe nach dem Aufsetzen gegen Luftangriffe zu verteidigen, aber nicht genug für beides.
Außerdem besaßen die Stahlwölfe reguläre Infanterie und Elementare, wenn auch wiederum nicht annähernd so viele von Letzteren, wie sie es sich gewünscht hätte. Trotzdem bestand die Invasionsstreitmacht zu einem großen Teil aus Infanterie, und sie würde den Schlachtplan darauf einstellen müssen. Eine andere Mischung der verschiedenen Einheitstypen hätte ihr besser gefallen, aber worüber sie verfügte, war annehmbar, und sie würde nehmen, was sie bekommen konnte.
Anastasia
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