Der Himmel schweigt
General Davies auf Quentin. Gibt es hier ein Lesegerät?«
Tara deutete mit dem Kopf auf das TriVid-Kabinett aus poliertem Holz in der gegenüberliegenden Ecke, neben dem Rufknopf. »Da drin.«
Griffin öffnete den Schrank und schob die Disk in das Gerät. Der TriVidschirm füllte sich mit mehr oder weniger abrupt wechselnden Bildern von Quentin: der Raumhafen; ein herabsinkendes Schiff, das plötzlich hinter einem Lichtblitz verschwand; ein Tundrawolf-Battle- Mech, gesehen in ruckartigen Bewegungen aus einem nahen, sich schnell bewegenden Fahrzeug; Kröten, die mit Gaussgewehren auf etwas außerhalb des Sichtfelds feuerten. Das Schiff, der Mech und die Infanteristen trugen die Insignien der Stahlwölfe.
Die Bilderserie lief weiter, doch jetzt wurde sie von einem Kommentar begleitet: »Hier spricht General Gwyn Davies, Kommandeur der Highlanderkräfte auf Quentin. Vor zwei Wochen wurde Quentin von Elementen der Stahlwolf-Fraktion unter Befehl eines Sterncolonels Ulan angegriffen. Das Ziel des Überfalls war offenbar der Industriedistrikt von Port Frome, dessen Fabriken die notwendige Ausrüstung für die Umrüstung von Agro- und ForstMechs für den Kampfeinsatz herstellen. Ich freue mich, mitteilen zu können, dass wir die Wölfe nach harten Gefechten zurückwerfen konnten. Der Rest dieser Disk enthält eine komplette nachrichtendienstliche Zusammenfassung und die Gefechtsdaten der Auseinandersetzung.«
Die Mitteilung endete mit dem letzten Bild: Stahlwolf-Landungsschiffe, die vom Raumhafen abhoben. Das Bild verblasste, dann begann die Schleife von vorne. Oberst Griffin drückte auf Stop - und er, Crow und Tara schauten einander an.
»Tja«, meinte Tara nach längerem Schweigen. »Wir haben uns seit Monaten gefragt, gegen wen wir wohl kämpfen müssen. Jetzt wissen wir es.«
Castle Northwind, Northwind Präfektur III, Republik der Sphäre
April 3133, Frühling
Noch Stunden nachdem Oberst Michael Griffin Castle Northwind wieder verlassen hatte, saßen Tara Campbell und Ezekiel Crow im Söller bei der Arbeit. Als der Nachmittag sich zum Abend neigte, hatten Regenwolken den Himmel über der Burg verdüstert, und die Nacht brachte ein stürmisches Frühlingsgewitter. Donner grollte durch das Tal und heftige Windböen schleuderten schwere Regentropfen gegen die Bleiglasfenster. Blitze zuckten durch die Dunkelheit und wurden von der tief hängenden Wolkendecke und den windgepeitschten Wipfeln der Bäume auf den Berghängen reflektiert.
Tara deutete nach draußen. »Als ich noch ein kleines Mädchen war, habe ich es geliebt, von hier aus Gewitter zu beobachten.«
Ein neuer Blitz schleuderte grellweißes Licht über das aufgewühlte Wasser des Sees am Fuß der Burg.
»Es ist schon dramatisch«, bestätigte Ezekiel Crow.
»Ich habe das sichere Gefühl der Burg genossen, ganz gleich, wie sehr draußen der Sturm tobte.« Sie lachte. »Dann wurde ich älter und fand heraus, dass das Wetter hier oben so wild nicht ist. Unten bei Tara -, ich meine, in der Stadt - können Sie sich vorstellen, wie sehr ich mich deswegen manchmal immer noch über meine Eltern ärgere? - in der Stadt können die Sommerstürme ganze Häuser zer-stören.«
»Sicher kein gutes Wetter zum Kämpfen.«
Sie seufzte und wandte sich wieder den Papieren und Datenblocks auf dem Tisch zu. »Wem sagen Sie das. Aber falls Radick und die Stahlwölfe nicht erheblich mehr Geduld beweisen, als der Nachrichtendienst ihnen zugesteht, werden wir es uns wohl nicht aussuchen können.«
Ezekiel Crow griff nach einem Datenblock mit den neuesten Truppenberichten. »Wenigstens erreichen die auf Northwind stehenden Elemente des Regiments allmählich Sollstärke. Die Rekrutierungskampagne war ein kluger Schachzug.«
»Danke.« Sie spürte, dass sie rot wurde, und drehte den Kopf zur Seite, um es zu verbergen. Das war der Fluch einer weißen Haut: Jede flüchtige Veränderung der Durchblutung leuchtete wie ein Neonschild. »Als Katana Tormark abtrat, hatte ich Angst, ich würde auf ganzer Linie versagen, weil ich genau wusste, wie unvorbereitet auf die Aufgabe ich war. Ich konnte nur eine zuversichtliche Fassade aufbauen und hoffen, dass niemand bemerkte, welche Angst ich hatte.«
Ezekiel Crow warf ihr einen fragenden Blick zu. »Der Gedanke, die Beförderung abzulehnen, kam Ihnen nicht?«
»Hätte ich geglaubt, dass jemand anders mit der richtigen Kombination aus Familienbeziehungen und Ausbildung verfügbar gewesen wäre, hätte ich diese Aufgabe schneller
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