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Der Himmel schweigt

Der Himmel schweigt

Titel: Der Himmel schweigt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Delrio
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kurz, wie sein Leben wohl aussähe, wenn er dort eine Stelle angenommen hätte, statt mit dem Rekrutierungsoffizier zu sprechen. Nach kurzer Überlegung kam er zu dem Schluss, dass er vermutlich wie alle anderen in die Berge geflüchtet wäre, und entschied, dass ihm diese Vorstellung gar nicht gefiel. Davonlaufen war nicht sein
    Ding.
    Sie erreichten Liddisdale, als die Sonne gerade unterging. Die Tankstelle und die 24-Stunden-Apotheke waren mit Brettern vernagelt - als ob das Soldaten hätte aufhalten können, die entschlossen waren, ins Innere zu gelangen. Weder auf der Straße noch irgendwo sonst war eine Menschenseele zu sehen. Er glaubte, an Bridie Casimirs Haus auf der andere Seite der Grünanlage einen Vorhang zucken gesehen zu haben, war sich aber nicht sicher. Er hoffte nicht. Bridie war eine furchtbare Tratsche und hatte ihm mit sechs Jahren die Hosen stramm gezogen, als er auf der Suche nach einem vergrabenen Schatz ihren Garten verwüstet hatte - seine Schwestern hatten Stein und Bein geschworen, sie hätte ihn dort vergraben, und er hatte ihnen geglaubt. Aber sie hatte es trotzdem nicht verdient, in ein Panzergefecht zu geraten.
    Jock Gordon brach das Schweigen. »Du bist plötzlich so still, Will. Was ist?«
    »Hier im Ort bin ich aufgewachsen«, erklärte er. Er schaltete den Fuchs in den Leerlauf und deutete auf ein großes Ziegelsteinhaus die Straße hoch, zwei Querstraßen von der Grünanlage auf dem Markt. »Seht ihr das Haus da? Das ist die Oberschule. In der Steintreppe fehlt ein Stück, da habe ich in der Nacht nach meinem Abschluss einen selbst gebauten Sprengsatz gezündet.«
    Lexa schaute ihn an und schüttelte den Kopf. »Und mich hat der Richter kriminell genannt.«
    »Der Unterschied ist, dass ich mich nicht habe erwischen lassen.«
    Jock nickte weise. »Das wird der Grund sein, warum dich der Truppführer zum Anführer gemacht hat. Bei dem, was wir vorhaben, ist es sicher empfehlenswert, sich nicht erwischen zu lassen.«
    Einen Augenblick lang herrschte betretenes Schweigen, bevor Jock wieder etwas sagte. »Es wird dunkel.«
    »Toll, wie dir so was auffällt«, kommentierte Lexa. »Und ich erwähne es nur ungern, aber seit wir an der Stadt mit dem großen Schornstein vorbei sind, fallen die Sensoren in diesem Bus immer
    wieder aus. Ich befürchte, sie sind kaputt.«
    »Nein, sind sie nicht«, klärte Will sie auf. »Die Berge in diesem Distrikt sind voller Magnet- und Glanzeisenerz.«
    Lexa schlug sich mit der flachen Hand seitlich an den Kopf. »Blutsteinmassiv. Rotsimspass. Himmel, bin ich blöd! Ich hätte von selbst darauf kommen müssen, dass MagRes hier nicht funktioniert.«
    »Nimm's nicht zu schwer«, scherzte Jock. »Die Wölfe sind vermutlich noch viel dümmer.«
    Will nickte. »Deswegen heuern Jäger in diesen Bergen in aller Regel einen Führer an. Wo die Interferenz durch das Erz richtig stark ist, nützt einem nicht einmal mehr ein Kompass. Und ich glaube nicht, dass die Wölfe einen Bergführer dabei haben.«
    Lexa grinste. »Aber wir haben einen.«
    »So ist es«, bestätigte Will. »Und als Erstes sollten wir von der Hauptstraße verschwinden. Ich vermute stark, dass die Wölfe hier entlangkommen. Die Straße ist auf den Karten verzeichnet, die man in anderen Systemen von Northwind bekommt, und auf den Bildern, die sie im Anflug gemacht haben, wird sie auch zu sehen sein.«
    »Und was sollen wir stattdessen benutzen, meinst du?«, fragte Jock.
    »Die Wald- und Feldwege der Holzfäller. Die meisten davon werden auf den Satellitenbildern nicht zu sehen sein, weil sie durch den Wald verlaufen. Die wenigsten ahnen, wie dicht das Blätterdach hier in den Bergen ist. Alle paar Jahre verirrt sich mal jemand in den Wäldern, und dann kann man ihn nur mit einer Suchmannschaft zu Fuß finden.« Er machte eine Pause. »Ich hab mal so jemanden gefunden, als ich gar nicht nach ihm suchte. Natürlich war er da schon zwei Jahre vermisst, also hat es ihm nicht geholfen.«
    Lexa schnitt eine Grimasse. »Ist das deine Vorstellung von Aufmunterung?«
    »Ich will euch nur ein Bild davon machen, worauf die Wölfe sich eingelassen haben. Und sie ahnen es nicht einmal.« Er legte den Gang wieder ein und der Fuchs setzte sich in Bewegung. »Haltet die Waffen schussbereit. Noch wissen wir nicht, wo sich die Stahlwölfe befinden. Und das bedeutet, sie könnten überall sein.«
    Juni 3133, Sommer
    Sterncolonel Nicholas Darwin stand in der offenen Luke seines Condor und suchte die Straße vor sich

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