Der Himmel schweigt
Nur das Flimmern der Monitore und das Zischen in Auffangkörbe gleitender Nachrichtenausdrucke ließ erkennen, dass irgendwo an der Oberfläche eine Schlacht tobte.
Tara Campbell war schon vor dem Eintreffen der Stahlwolf-Landungsschiffe in der GZ gewesen und hatte sie seitdem nicht verlassen. Sie ernährte sich von schlecht schmeckenden Sandwiches und starkem, süßem Tee, während sie die eintreffenden Kampfberichte verfolgte. Sie wusste, was sich hinter den Zahlen und trockenen Zusammenfassungen verbarg. Männer und Frauen gaben dort draußen ihr Leben, verglühten wie Meteore am Himmel über dem Raumhafen, und Meilen entfernt im Red-Ledge-Pass standen sich Stahlwölfe und Highlanders in der Dunkelheit gegenüber.
Einen Augenblick lang wünschte sie sich, sie wäre bei den Truppen, die den Pass hielten, und Oberst Griffin wäre derjenige, der sicher im Bunker saß. Sie wusste aus Erfahrung, dass es viel einfacher war, als niederer Offizier oder sogar als Oberst im Feld zu stehen. Dort war die einzige Sorge - der Feind - direkt vor einem. Eine Präfektin dagegen musste sich ihre Gedanken um alles machen: um die Wölfe im Pass; um die umgerüsteten Mechs, die noch in den Fabriken standen; um die Luftabwehrreserven, die sie von Gott-weiß-wo-her zusammenklauben musste.
Die Tür der Gefechtszentrale glitt mit einem Seufzen auf, das ihre erschöpften Gedanken unterbrach, und Ezekiel Crow trat ein. Der Paladin war glatt rasiert und trug eine saubere Uniform. Hätte Tara nicht gewusst, dass er fast ebenso lange wach war wie sie, hätten sie diese Kleinigkeiten erstaunt und davon überzeugt, dass er nach einer guten Nachtruhe wach und ausgeschlafen war.
Auch Paladine mussten sich um alles Gedanken machen.
»Countess«, begrüßte er sie.
Sie antwortete mit einem förmlichen und korrekten Nicken, ein Triumph der Ausbildung über die Erschöpfung. »Paladin.«
»Wie ist die Lage?«
»Die Wölfe schiffen sich nicht wieder ein und fliegen nach Hause. Aber das wussten wir ohnehin schon.« Sie fand die Kraft für ein Lächeln. Schließlich sahen sie die Soldaten. »Die gute Nachricht ist, sie scheinen während der Nacht Halt gemacht zu haben.«
Crow kam herüber an die Karte des Red-Ledge-Passes auf dem Planungstisch. Die roten Lichtpunkte, die bekannte und vermutete Feindeinheiten markierten, hatten sich seit über einer Stunde nicht bewegt. Sie konnte sich nicht erinnern, ob sie sich überhaupt gerührt hatten, seit der Paladin die GZ verlassen hatte.
Jetzt studierte er die Karte mit ernstem Gesicht. »Statt zu versuchen, sich im Dunkeln durch einen engen Pass zu kämpfen? Ich kann es ihnen nicht verdenken. Was sie an Zeit verlieren, werden sie morgen früh dadurch wettmachen, dass sie ausgeruht sind.«
»Sie wissen eine Frau wirklich aufzumuntern, Mylord.«
Er schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich fürchte, dies ist nicht die
Zeit für ermutigende Lügen.«
»Verdammt. Mir fallen nämlich auch keine mehr ein.« Sie gestikulierte in Richtung einer der Computerkonsolen, an der im Augenblick eine junge Frau in Regimentsuniform saß. Laut des Namens-aufnähers Lance Corporal Baker. »Von der Meteorologie kommen unfreundliche Geräusche über die Wettermuster südöstlich von uns. Wir müssen vielleicht im Regen kämpfen. Oder schlimmer.«
Crow betrachtete den Wetterschirm und die Karte, dann nickte er düster. »Stimmt. Andererseits spricht die niedrige Wolkendecke gegen Luftangriffe.«
»Immerhin.« Die Luft/Raumjäger der Stahlwölfe waren ein zusätzlicher Faktor, der den Gefechtseinsatz der umgebauten Bau- und BergbauMechs verzögerte. Die neuen Kampfmaschinen würden zu leichten Angriffszielen der Wolf-Piloten werden, sobald sie die Fabrik verließen und auf den Straßen auftauchten, falls es nicht gelang, das Stahlwolf-Geschwader vorher zu neutralisieren. »Wenn der Himmel erst sicher ist .«
Sie verstummte und wickelte sich eine Haarlocke um den Finger, während sie abzuschätzen versuchte, wann die Luftabwehr den Wölfen genug Schaden zugefügt haben würde, um die umgebauten Mechs ausrücken lassen zu können, ohne dass sie zu viele Verluste einstecken mussten. Sie fand keine Antwort. Der Teil ihres Gehirns, der sich sonst um derartige Berechnungen kümmerte, war vom Schlafmangel wie betäubt.
Sie fühlte eine leichte Berührung am Unterarm und zuckte zusammen.
Tara drehte sich um und sah, dass die Hand Ezekiel Crow gehörte. Der Paladin wirkte besorgt. Das ließ die Frage in ihr aufsteigen, wie
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